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Schicksalstag für Arcandor

Insolvenzverfahren: Beim Teileverkauf gehen tausende Jobs verloren

  • Uta Knapp, Birthe Blechschmidt, und Simone Hett (dpa)
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Tage des Arcandor-Konzerns sind gezählt. Im Insolvenzverfahren geht es nur um Teillösungen für die einzelnen Sparten.
Wenn das Essener Amtsgericht wie erwartet heute die Insolvenzverfahren für das Handels- und Touristikunternehmen Arcandor sowie zahlreiche Tochtergesellschaften eröffnet, steht die Zukunft von rund 38 000 Beschäftigten auf dem Prüfstand. Nach nur knapp einem halben Jahr an der Spitze bereitet sich auch Vorstandschef Karl-Gerhard Eick auf seinen Abgang vor.

Nachdem die Suche nach einem Gesamtinvestor für den maroden Konzern gescheitert ist, haben die Holdinggesellschaft mit dem Kunstnamen Arcandor und damit auch der Chefposten praktisch keine Funktion mehr. Nun steht das Fahnden nach Einzellösungen für die Warenhaustochter Karstadt und des Versandhändlers Primondo auf der Tagesordnung. Es gilt zu retten, was noch zu retten ist.

Das wird bitter für die Beschäftigten, aber ohne finanziellen Schaden für den Vorstandschef. Denn er fällt weich, hatte er sich doch rechtzeitig abgesichert, als er im März den Posten von Thomas Middelhoff übernahm. Zum Abschied erhält Eick einen goldenen Handschlag. Bis zu 15 Millionen Euro Abfindung sind ihm nach seinen Worten von Großaktionär Sal. Oppenheim garantiert. Deshalb schade er auch nicht dem Unternehmen, sagte Eick.

Quelle-Betriebsrat Ernst Sindel und Arcandor-Betriebsratschef Hellmut Patzelt sind jedoch sauer. »Für das Scheitern sollte man grundsätzlich nicht belohnt werden«, schimpft Sindel. Von der heftigen Kritik zeigte sich Eick unbeeindruckt: »Ich komme aus einfachen Verhältnissen und weiß, dass 15 Millionen Euro sehr viel Geld ist – auch für mich.«. Und er rechne mit Diskussionen darüber.

Zwar hat Eick die Misere des Konzerns nicht verschuldet, doch mit seinen Versuchen den Konzern als Ganzes zu retten, ist er auf ganzer Linie gescheitert. Weder Staatshilfe noch einen Notkredit bekam er durch. Auch die Eigentümer wollten oder konnten nicht weiter Geld nachschießen und die verzweifelte Suche nach einem Investor lief ins Leere.

Nach der offiziellen Eröffnung des Verfahrens laufen die Fäden beim Insolvenzverwalter zusammen. Als vorläufiger Verwalter für 40 der 51 betroffenen Arcandor-Gesellschaften hatte Klaus Hubert Görg bereits das Heft in der Hand. Wie aussichtslos die finanzielle Situation ist, hat auch den Insolvenzprofi verblüfft. In den vergangenen zwei Monaten hatte er jeden Stein umgedreht, in der Hoffnung vielleicht doch noch ungehobene Schätze zu finden, mit denen er Arcandor finanziellen Spielraum verschaffen könnte. Dabei musste er feststellen, dass unter Eicks Vorgänger Middelhoff bereits alles verkauft und verpfändet wurde, was nicht niet- und nagelfest war. Es gebe nichts mehr, was nicht bereits anderen Leuten gehöre.

Die Anteilseigner müssen sich auf einen Totalverlust einstellen. Vor allem Großaktionärin Madeleine Schickedanz sorgte mit eindringlichen Klagen über den drohenden Verlust ihres einst milliardenschweren Vermögens für Aufsehen. Aber auch für die übrigen Anteilseigner wird kaum etwas übrig bleiben, wenn alle Gläubiger bezahlt sind. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz setzt nun auf zügige Ermittlungen der Staatsanwalt Bochum gegen Ex-Chef Middelhoff wegen Untreue. Dabei werden vor allem dessen private Immobiliengeschäfte unter die Lupe genommen.


Sparten

Karstadt Warenhaus AG: Im Kaufhausgeschäft steht der Fortbestand von 19 der 126 Waren- und Sporthäuser in Frage. Dies könnte noch einmal mehrere Tausend Arbeitsplätze kosten. Im Gespräch sollen auch empfindliche Lohnkürzungen sein. Konkurrent Metro hatte bereits Interesse an der Übernahme von etwa zwei Dritteln der Karstadt-Filialen signalisiert.

Primondo AG: In der Versandhandelssparte mit ihrem Kernstück Quelle sollen rund 3700 der 10 500 Stellen wegfallen. Die kreditgebenden Banken wollen die Finanzierung bis zum Jahresende sicherstellen, was das wichtige Weihnachtsgeschäft umfasse. Angeblich haben sind mehrere Finanzinvestoren an Primondo interessiert.

Thomas Cook Group: Der Reisekonzern soll sich schon in den nächsten Tagen von Arcandor abnabeln. Die ohnehin längst an die Banken verpfändete 52-Prozent-Beteiligung wird von diesen wohl verkauft. ND

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