Dreister Blender

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 2 Min.

Die Chuzpe einiger Politiker ist immer wieder erstaunlich. Erst hört man monatelang keinen Mucks aus dem Bundesverkehrsministerium zum S-Bahn-Desaster in Berlin – und nun das. Über seinen Sprecher lässt Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) mal eben den Bahnkonzern wegen des S-Bahn-Chaos' scharf kritisieren: Die Bahn werde ihrer Verantwortung nicht gerecht, den Verkehr sicherzustellen. Und – solche Formulierungen hört man selbst im überdrehten Politikbetrieb selten – die Bürger interessiere jetzt am meisten, »wann in dieser Stadt wieder Zustände herrschen, die der westlichen Zivilisation angemessen sind«. Überdies solle die Bahn einen »Politikwechsel« vollziehen.

Sicher, Blenden und Augenwischerei sind Teil des täglichen Politikgeschäfts. Dass aber ausgerechnet Tiefensee einen Politikwechsel bei der Bahn fordert, ist dreist. Zur Erinnerung: 100 Prozent des Bahnkonzerns befinden sich im Bundesbesitz. Tiefensee selbst ist also maßgeblich verantwortlich für die katastrophalen Folgen der Politik, die Deutsche Bahn auf Biegen und Brechen an die Börse bringen zu wollen. Indes der Verweis auf die westliche Zivilisation ist amüsant. Denn in England oder Neuseeland wurde bereits vor Jahren deutlich, wohin eine solche Privatisierung bei der Bahn führt: Nämlich zu denselben desolaten Zuständen bei Material und Personal wie jetzt in Berlin.

All jene Folgen waren dem Minister bekannt. Dass er jedoch von den Missständen bei der S-Bahn nichts gewusst haben will, überrascht nicht, sondern erinnert an seine Performance bei den Manager-Boni, die sich Mehdorn und Co. nach dem Börsengang genehmigen wollten.

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