Kopf-an-Kopf-Rennen in Norwegen

»Rot-rot-grüne« Regierungskoalition hofft nach letzten Umfragen auf Wiederwahl

  • Andreas Knudsen, Kopenhagen
  • Lesedauer: 2 Min.
Norwegens »rot-rot-grüne« Koalition unter dem sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Jens Stoltenberg kann sich ihrer Mehrheit bei den gestern begonnenen zweitägigen Parlamentswahlen nicht sicher sein. Zwar sagt ihr eine am Samstag veröffentlichte Umfrage des Synovate-Institutes für die Zeitung »Dagbladet« einen Sieg voraus, doch spricht der Durchschnitt aller Umfragen im September für eine Mehrheit der bürgerlichen Opposition. Stimmberechtigt sind 3,5 Millionen Bürger.
Premier Stoltenberg und Kristin Halvorsen, Chefin der Linksozialisten
Premier Stoltenberg und Kristin Halvorsen, Chefin der Linksozialisten

Seit 2005 wird Norwegen von einer Koalition aus Sozialdemokraten, Linkssozialisten und dem wegen seiner Parteifarbe als grün bezeichneten bäuerlich-liberalen Zentrum regiert. Die Finanzkrise und einige Skandale haben zuletzt stark am Image dieses Bündnisses gezehrt. Die Meinungsumfragen der vergangenen Wochen gaben mal den Regierungsparteien, mal den vier Parteien der bürgerlichen Opposition eine Mehrheit.

Die Sozialdemokraten führten ihren Wahlkampf mit klassischen Themen unter der Schlagzeile »Raum für alle«, die Parole der Partei. Damit sind auch sozial Schwache, die wachsende Zahl der Arbeitslosen und Einwanderer gemeint. Obwohl die Finanzkrise im Norden Europas ebenfalls ihren Preis hat, kann Norwegen dank der sprudelnden Einnahmen aus der Öl- und Gasförderung und den daraus resultierenden finanziellen Reserven besser gegensteuern. Viele Norweger fragen sich jedoch, warum eines der reichsten Länder der Welt trotzdem mit dem Widerspruch kämpfen muss, einen hohen Steuerdruck und gleichzeitig Probleme im Gesundheits- und im Bildungswesen zu haben.

Die Linkssozialisten setzten auf Themen wie Bildungswesen, erneuerbare Energie oder die Aufrechterhaltung des Offshore-Förderverbotes ab den Lofoteninseln. Der Gewerkschaftsdachverband LO unterstützte die Kampagnen der Linksparteien organisatorisch und finanziell und bezeichnet die bevorstehende Wahl als Weichenstellung für ein Norwegen, das weiterhin über einen Sozialstaat verfügt.

Die bürgerlichen Parteien unterstützten dagegen die Forderung des norwegischen Unternehmerverbandes, die Erforschung und Ausbeutung der Öl- und Gasreserven im gesamten Kontinentalschelf einschließlich ökologisch sensibler Gebiete zu erlauben. Während die konservative Højrepartei Steuererleichterungen zum anderen wichtigen Thema machte, plädierte die rechtspopulistische Fortschrittspartei für den ungehemmten Verbrauch der immensen Gelder des Ölfonds als Allheilmittel, um heutige Probleme schnell und ohne Rücksicht auf künftige Generationen zu lösen. Sie mixte ihre leichtfertigen finanzpolitischen Vorschläge mit virulenter Fremdenfeindlichkeit zu einem gefährlichen Cocktail und sicherte sich so ungeahnte Zuwächse in den Meinungsumfragen. Doch das schreckt die anderen bürgerlichen Parteien auch ab, allzu enge Bündnisse mit Parteichefin Siv Jensen einzugehen. Hinzu kommen persönliche Abneigungen, so dass es für das konservativ-liberale Lager trotz abzusehender Stimmengewinne letztlich nicht ganz zur Regierungsbildung reichen könnte.

Traditionell wird in Norwegen die Wahl zu den Schülerräten an höheren Bildungseinrichtungen als Fingerzeig genommen, wie die Parteien im Rennen liegen. Die Abstimmung zeigte dieses Mal ein fast totes Rennen – mit leichten Vorteilen für »Rot-Rot-Grün«.

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