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Sie schlagen und küssen sich

REBECCA GABLÉ mit Hiobs Brüdern im Mittelalter

  • Sabine Neubert
  • Lesedauer: 3 Min.

Freunde von Rebecca Gablé können sich freuen – und sich auch diesmal auf einiges gefasst machen: Der Roman erzählt wieder englisch-französische Mittelaltergeschichte – und das von der ersten bis zur letzten Seite so spannend, dass man das Buch erst aus der Hand legt, wenn man weiß, wie es am Ende ausgeht. Aber – auch das kennen wir schon aus früheren Romanen – natürlich fügt sich (fast) alles gerade noch einmal gut, jedenfalls für die wichtigsten Personen im Roman, für die Finsterlinge natürlich nicht. Vorher allerdings wird mächtig gehauen und gestochen, da ist ein abgehackter kleiner Finger schon mal ohne weiteres verkraftbar.

Wieder ist das Buch eine Melange aus (verbürgt) historischen Gestalten und Ereignissen und sehr viel die Zeit illustrierendem Rankenwerk. So war es einmal, so kann es gewesen sein. Ging es in früheren Romanen bisweilen sehr kunterbunt zu, so diesmal etwas düsterer, werden doch wüste Zeiten lang andauernden Kriegsgeschehens geschildert. Gäbe es nicht auch Liebe, Umarmungen, Zärtlichkeiten und vor allem unverbrüchliche Freundschaften, schöne Frauen und tollkühne Männer, Kinder, Gesinde, Vieh und Weizenfelder, Bauernkaten und neu erbaute Kathedralen, wäre es noch wesentlich finsterer in dieser mittelenglischen Welt des 12. Jahrhunderts. Dass Losian alias Alan of Helmsby, Bastard mit Königsblut in den Adern, ab und zu einem Bösewicht den Kopf abhaut oder das Schwert ins Herz sticht, dient fast immer der guten Sache und am Ende gar der Beendigung des so lange dauernden Krieges um die englische Krone zwischen König Stephen und Kaiserin Maud bzw. ihrem ältesten Sohn Henry Plantagenet mit seiner Gattin Aliénor (Eleonore von Aquitanien).

Sprechen wir von den unverbrüchlichen Freundschaften, die den Roman wie ein roter Faden durchziehen. Oder besser gesagt: von Menschen, die unterschiedlicher nicht sein können und doch durch ein gemeinsames Schicksal verbunden sind – Hiobs Brüder eben. Der Leser ahnt schon beim Buchtitel: Sie sind Gezeichnete, Ausgestoßene, Verdammte, von Gott und den Menschen Verlassene. Zu Beginn finden wir die Männer verbannt auf einer verfallenen Inselfestung vor der Küste von Yorkshire. Mönche des nahen Klosters haben sie hier vor der Welt weggesperrt. Alle haben irgendein körperliches oder seelisches Gebrechen und gelten deshalb als Besessene. Da ist der junge Simon de Clare, der die Fallsucht hat. Er ist gerade angekommen, da trifft er auf Leidensgenossen: »King Edmund« beispielsweise, den toten Märtyrerkönig, die zusammengewachsenen Zwillinge Godric und Wulfric, den ängstlichen, schwachsinnigen Jungen Oswald, den alten Luke mit der Schlange im Bauch und Losian, der seine Vergangenheit verlor. Dann ist da noch Regy, aber der ist ein Ungeheuer. Das Schicksal in Gestalt eines Unwetters kommt den Eingeschlossenen zu Hilfe und ermöglicht ihnen den Weg in die Freiheit.

Dann sehen wir das Häuflein der Flüchtenden übers Land, durch Wälder und Felder ziehen, sehen, wie sie aus Heimatorten und von eigenem Besitz verjagt werden und schließlich bei einem jüdischen Arzt vorläufige Unterkunft finden. Der hat natürlich eine schöne Tochter (die Autorin lässt viel Informationen über Juden im Mittelalter einfließen) und versteht vor allem etwas von seelischen Krankheiten und ihrer Heilung.

Einmal begegnet Simon in einem wilden Waldstück einem Franzosen, der, wie es eben in Märchen oder Romanen so geht, ein Königssohn ist. Henry Plantagenet, ein junger Haudegen, Jäger und Wildfang, befreundet sich mit Simon, und so gerät die kleine Schar der »Hiobsbrüder« ins große Weltgeschehen und die weitere Romanhandlung. Mit Simons und Alans Hilfe und Heldentaten geht der Krieg doch noch zu Ende. Dann aber hat auch King Edmund endlich seine Mission erfüllt.

Rebecca Gablé: Hiobs Brüder. Historischer Roman. Ill. v. Jürgen Speh. Ehrenwirth Verlag. 912 S., geb., 24,99 €

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