Neue Mauer spaltet Schönberg

Kunstobjekt provoziert die Bürger einer mecklenburgischen Kleinstadt

  • Grit Büttner, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Ein Künstler aus Hamburg hat in der mecklenburgischen Kleinstadt Schönberg eine »Gedenkmauer« errichtet. Im Ort, der nahe der früheren innerdeutschen Grenze liegt, betrachten viele Einwohner das Kunstobjekt als Provokation.

Schönberg. Eine neue Grenzmauer erhebt sich in der nordwestmecklenburgischen Kleinstadt Schönberg. Das 3,70 Meter hohe Bauwerk aus Möbelplatten – bemalt, beklebt und besprüht – ist mit nur 20 Metern Länge rasch abzugehen, zu übersehen ist es nicht. Mit dieser Gedenkmauer will der aus Hamburg stammende Künstler Helmut Preller (58) aufklären, Hintergründe erhellen, Dialoge entfachen und an die Grenzopfern erinnern, wie er sagt. Im nahe der früheren innerdeutschen Grenze gelegenen Schönberg indes sehen viele Bürger das Kunstobjekt als Provokation an. Sie schrecken nicht einmal vor Drohungen gegen den 2004 zugezogenen Preller zurück.

»Mist ist das«, schimpft Alfred Karos kopfschüttelnd. »Wir wollen keine Mauer, hatten ja lange genug eine.« Der Rentner platziert sein Fahrrad vor der bunten Installation und verschwindet in der gegenüberliegenden Apotheke. Die dort angestellte Anja Kilian findet die künstlerische Idee des Mahnmals gar nicht schlecht. »Viele verdrängen aber lieber, was gewesen ist«, vermutet sie.

Bürgermeister beurlaubt

Vor der Tür fegt ein 75-jähriger Schönberger, der seinen Namen nicht nennen will, Laub zusammen. »Mich provoziert das nicht«, sagt er gelassen. »Hab früher selbst im Sperrgebiet gelebt. Es war ja wirklich so, wie es da gezeichnet ist.« Stören würde ihn aber der viele Streit jetzt im Städtchen, der sich vor allem um die Vergangenheit des Bürgermeisters rankt. Der Künstler und ehemalige Stadtvertreter Preller sagt zwar, er habe nicht provozieren, sondern nur anregen wollen. Doch er kommt immer wieder auf die Stasi-Belastung des mittlerweile beurlaubten Stadtoberhauptes Michael Heinze (LINKE) zu sprechen und zitiert den früheren Grenztruppenkommandeur von Schönberg auf seiner mit Stacheldraht besetzten Meinungs-Mauer. Heinze war bei der Kommunalwahl am 7. Juni mit mehr als 70 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt worden, das er seit dem Jahr 2004 ausübte.

Der nun amtierende Bürgermeister Karl-Heinz Düwel (CDU) meint, dass die meisten Schönberger hinter Heinze stünden. Schließlich hätten sie ihn später noch einmal wiedergewählt. »Soll das Unrecht sein in einer Demokratie?«, fragt Düwel. Er selbst möchte in Ruhe für Schönberg arbeiten, miteinander reden, auch vergeben. »Für mich bleibt die DDR ein Unrechtsstaat«, betont der Christdemokrat. Doch die Mauer des Künstlers Preller sei nicht aussagekräftig, sie stifte nur Unruhe. Er zweifle an den Informationen des Objekts. »Unerhört, was ein zugereister Bürger aus den alten Bundesländern uns für neues Wissen beibringen will«, empört sich Düwel. Lieber heute als morgen solle daher die Wand wieder weg.

Überwachung per Kamera

Preller indes will seine am 13. August, dem Tag des Mauerbaus, errichtete Installation bis zum 9. November, dem 20. Jahrestag des Mauerfalls, stehen lassen – und notfalls auch verteidigen. Attacken auf seine inzwischen mit Beton und alten Kolonnenwegsplatten verstärkte Mauer gab es bereits viele. Mit Spraydosen, Schimpf- Plakaten oder gar mit der Spitzhacke rückten diverse Angreifer dem Kunstwerk zu Leibe. Dagegen wehrt sich Preller nun vehement. Unermüdlich erneuert er die Warnhinweise an seinem Mahnmal: »Diese Wandzeitung wird per Video überwacht.«

Vor allem für die jüngere Generation sieht Künstler Preller sich in der Pflicht, gegen Vergessen und Verdrängen einzutreten. Daher solle seine Gedenkmauer nach dem 9. November nicht wie das historische Original niedergerissen werden. Vielmehr wolle er die bemalten Platten abbauen und als Symbol per Tieflader zu »Brennpunkten in Deutschland«, wie er sagt, auf Reisen schicken, um die Debatte über Geschichte wach zu halten.

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