Schwieriger »grüner« Einkauf
Buch zeigt vielfältige Schönfärberei der Industrie auf
Viele Konsumenten kaufen gern umweltverträgliche Produkte. Dummerweise sind viele Produkte jedoch nicht grün zu kriegen. Oder nur mit viel Aufwand. Was tun da deren Hersteller? Sie beauftragen PR-Experten, ihre Produkte wenigstens grün aussehen zu lassen. Mehr als 50 Beispiele von »Grünfärberei« führt nun der Journalist Toralf Staud in seinem neuen Buch vor.
Die meisten stammen aus der Autoindustrie- oder von Stromkonzernen, Wirtschaftsunternehmen, die naturgemäß einen großen Bedarf an grüner Propaganda haben.
Grünfärberei arbeitet dabei laut Staud »nur selten mit offensichtlichen Lügen«. Meist verdrehen oder lassen die Hersteller Fakten weg oder stellen sie in irreführende Zusammenhänge. Mit spitzer Feder und spöttischem Zungenschlag deckt der Autor all die PR-Lügen auf. »VW ist grün« jubelte Konzernchef Martin Winterkorn 2008 beim Pariser Autosalon anlässlich der Präsentation der neuen BlueMotion-Sparvarianten von Golf und Passat. Was er nicht sagte, ist, dass der CO2-Ausstoß der verkauften VW-Neuwagenflotte von 2002 bis 2007 um 4 Gramm auf 166,7 Gramm/km gestiegen ist. So machen es, wie Staud eindrücklich belegt, fast alle Autohersteller, von Audi, über Bentley und BMW bis hin zu Daimler: Sie werben öffentlich mit grünen Feigenblättern, richten ihr Marketing aber auf schwergewichtige, PS-starke Spritfresser aus. An großen Autos verdienen die Hersteller pro Stück nämlich mehr als an kleinen.
Umweltfreundlich gibt sich auch der Ölmulti BP, etwa indem sein Logo ein grün-gelbes Blümchensymbol ziert und er das Firmenkürzel offiziell mit »beyond petroleum« (»jenseits des Erdöls«) übersetzt. Doch in der aktuellen Firmenbilanz macht die Solarsparte nicht mal 0,2 Prozent des Jahresumsatzes aus. Auch steckte der Ölkonzern 2008 nur magere sieben Prozent seiner Gesamtinvestitionen in alternative Energien. Für Staud sind das allenfalls »Peanuts«.
Auf seiner Homepage rühmt sich Sony als »Klimaretter«, stattet aber die TV-Geräte-Serien Bravia W 4000, E 4000 und W 4500 mit »digitalen Bilderrahmen« aus. Läuft kein Programm, flimmert daher ein Kunstwerk über den Bildschirm. In der Presserklärung erläutert Sony, dass dieser Modus bis zu zehn Prozent weniger Strom brauche als der TV-Betrieb und somit helfe »Energie zu sparen«. »Stromsparen ist halt relativ«, giftet Staud zurück. Als Bilderrahmen braucht das Gerät immerhin noch 90 Prozent des TV-Verbrauchs und 1000 Mal mehr als im Standby-Modus.
Es macht Spaß, dieses Buch zu lesen, doch Vorsicht werter Leser, die Lektüre schürt Misstrauen: Künftig werden Sie keiner »grünen« Werbung einfach so mehr Glauben schenken. Vielmehr fangen Sie an, nach den Tricks zu suchen, mit denen der Hersteller Sie hinters Licht zu führen versucht.
Toralf Staud: Grün, grün, grün ist alles, was wir kaufen. Kiepenheuer&Witsch. brosch., 272 S., 8,95 €.
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