Telefonistin übernimmt Bertelsmann

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Autor ist Inlandsredakteur des »Neuen Deutschland«.
Der Autor ist Inlandsredakteur des »Neuen Deutschland«.

Ein Traum wird wahr für Liz Mohn: Die einstige Telefonistin ist seit kurzem auch offiziell Chefin von Europas größtem Medienkonzern Bertelsmann. Ihr Aufstieg begann im Jahre 1963. Damals wurde die als Elisabeth Beckmann geborene Liz schwanger. Vater des Kindes war ausgerechnet der asketisch und penibel geltende Bertelsmann-Patriarch Reinhard Mohn. Zwar war die 20 Jahre jüngere Elisabeth nicht seine einzige Geliebte, doch im prüden Gütersloh galten uneheliche Kinder als gesellschaftliches Tabu. Und so heiratete Elisabeth zum Schein den Kinderbuchlektor des Bertelsmann-Verlages, einen gewissen Joachim Scholz.

Erst 1982 gaben sich Elisabeth und Reinhard das Jawort. Vor wenigen Tagen verstarb der hoch betagte Reinhard Mohn. Die sich nun Liz nennende Elisabeth erbt damit endgültig die geballte Machtfülle des Patriarchen. Bis zu ihrem 75. Geburtstag darf die heute 68-Jährige die Bertelsmann Verwaltungsgesellschaft (BVG) leiten und dann ihren Nachfolger bestimmen. Die BVG kontrolliert sowohl den Konzern als auch die nicht minder wichtige Stiftung. Liz Mohn kann jede Entscheidung, die innerhalb ihres Imperiums getroffen wird, mit ihrem Veto blockieren. Das heißt: Nichts geht mehr ohne sie.

Bislang klagten nur die Wirtschaftskolumnisten führender europäischer Tagszeitungen über diese diktatorischen Befugnisse. Denn Elisabeth Mohn machte vor allem mit unternehmerischen und personellen Fehlentscheidungen von sich reden. So wurde der erfolgreiche Bertelsmann-Manager Thomas Middelhoff auf ihr Betreiben entfernt. Auch der Aufsichtsratsvorsitzende Gerd Schulte-Hillen musste gehen, weil die damalige Familiensprecherin es so wollte. Die absolute Herrscherin über das Bertelsmann-Imperium duldet keine Mächtigen neben sich.

Dabei unterschlugen die Kolumnisten einen äußerst wichtigen Aspekt. Denn Liz Mohn ist keine einfache Unternehmerin, die nur sich und ihrem Konto verpflichtet ist. Die Bertelsfrau gehört zusammen mit der Verlegerin Elfriede Springer zum engsten Freundeskreis von Kanzlerin Angela Merkel. »Bild« und RTL im Dienste der CDU-Chefin?

Bertelsmann kontrolliert mit der mächtigen RTL-Gruppe, den Sendern Vox und n-tv nicht nur den halben Fernseh- und Radiomarkt in Deutschland. Zum Gütersloher Imperium gehört auch der Verlag Gruner + Jahr, der mit seinen publizistischen Flaggschiffen »Stern« und »Financial Times Deutschland« nicht unerheblich zur Meinungsbildung beiträgt. Selbst das Nachrichtenmagazin »Spiegel« befindet sich zu 25,5 Prozent im Besitz des unheimlichen Konzerns.

Bedächtige Zeitgenossen werden einwenden, dass Frau Mohn mitnichten in die Redaktion des »Stern« stürmt und ihren Angestellten befiehlt, nur noch Gutes über die Bundeskanzlerin zu schreiben. Die Macht einer Liz Mohn wirkt viel subtiler. Frau Mohn verfügt über ein weitaus wirkungsvolleres Machtinstrument: die Bertelsmann-Stiftung.

Wie wichtig den Bertelsmännern ihre Stiftung ist, zeigt der Umstand, dass der Konzerngewinn zu großen Teilen in die Stiftung fließt. Denn der Buchverleger Reinhard Mohn hatte eine Vision: Ganz Deutschland müsse wie ein Konzern geführt werden. Nun folgte der Firmenchef leider nicht dem Rat von Helmut Schmidt, der Menschen mit Visionen einen Arztbesuch empfahl. Stattdessen, gründete Mohn 1977 eine Stiftung, die seit Jahren die Privatisierung der Politik vorantreibt. Diese Stiftung, so der Publizist Rudolph Bauer, verbreite eine »demokratieschädliche Einheitsmeinung der neoliberalen Glaubenslehre, dass die Löhne zu hoch, die Sozialleistungen zu üppig und das Investitionsklima allzu unternehmerfeindlich seien«.

Wenn man bedenkt, dass nun die erklärte Kanzlerfreundin Liz Mohn die Geschicke des Imperiums leitet, kann einem Angst und Bange um diese Demokratie werden.

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