Mörderischer Rassismus angeklagt

Prozess in Dresden wegen tödlicher Messerattacke gegen Frau aus Ägypten

  • Lesedauer: 3 Min.
Knapp vier Monate nach der tödlichen Messerattacke in einem Dresdner Gerichtssaal auf die Ägypterin Marwa El-Sherbini muss sich ein 28-Jähriger seit Montag vor dem Landgericht der Elbestadt verantworten. Der Fall erregt internationales Aufsehen.

Berlin/Dresden (ND-Heilig). Angeklagt ist Alex W. Er hatte die 31-jährige Ägypterin Marwa El-Sherbini am 1. Juli während einer Verhandlung des Dresdner Landgerichts angegriffen und mit mindestens 16 Messerstichen tödlich verletzt. Ihr Ehemann überstand den Angriff mit lebensgefährlichen Verletzungen. Die Staatsanwaltschaft wirft Alex. W., geboren in Russland, Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung vor. Er soll – so grob vereinfacht – aus Hass auf Nicht-Europäer und Muslime gehandelt haben.

Derartige Sicherheitsvorkehrungen hat das Dresdener Landgericht in der Lothringer Straße noch nicht erlebt. Rund 200 Polizisten – unter ihnen Scharfschützen – waren aufgeboten, denn der Prozess galt bereits im Vorfeld als politisch hoch brisant. Die Mordtat hatte in der Heimat des Opfers und der gesamten arabischen Welt Empörung hervorgerufen. Mehrfach war zu Rachetaten aufgerufen worden. Alle Beschwichtigungs- und Pressebetreuungsversuche des deutschen Außenamtes scheinen wenig gefruchtet zu haben. Sogar ein Good-Will-Gastspiel der Staatskapelle aus Dresden in Alexandria konnte den Zorn gegen den »Kopftuchmörder« und die angeblich zu zögerliche deutsche Justiz nicht mindern. Der Botschafter Ägyptens sowie zahlreiche Medienvertreter aus der arabischen Welt verfolgten das Verfahren im Saal.

Die Vorsitzende Richterin Birgit Wiegand erinnerte deshalb daran, dass es nicht um ein politisches Verfahren gehe. Der Prozess erfolge vor der Schwurgerichtskammer und nicht vor der Staatsschutzkammer. Auch die Ausländerbeauftragte des Bundes, Maria Böhmer (CDU), hat dazu aufgerufen, das Verfahren um den Mord an der Ägypterin Marwa El-Sherbini mit Ruhe und Besonnenheit zu verfolgen.

Der Fall hängt offenbar mit einer hierzulande weit verbreiteten und politisch gezüchteten »Islamophobie« zusammen. Alex W. hatte die muslimische Frau auf einem Spielplatz der Elbestadt als »Schlampe«, »Islamistin« und »Terroristin« beschimpft und daraufhin von der herbeigerufenen Polizei eine Anzeige erhalten. Bei einer Berufungsverhandlung war es dann zu dieser Bluttat gekommen.

Zum Auftakt der aktuellen Verhandlung zeigte sich der Angeklagte wenig kooperativ. Dieses Verhalten passt zum Bild, das sich Psychologen über ihn machen konnten. Alex W. lebte seit 2003 in Deutschland. Die Staatsanwaltschaft geht nicht von einer verminderten Schuldfähigkeit des Angeklagten aus. Sein Leben war offenbar bestimmt von »rauchen, trinken und spielen«. Tagelang soll er seine Bleibe nur zum Beschaffen von »Nachschub« verlassen haben.

Das Opfer dagegen war eine gebildete Frau, die ihrem Mann nach Dresden gefolgt ist, weil der am dortigen Marx-Planck-Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik promoviert hat.

Nach Mediennotizen soll Alex W. kurz vor der Mordtat dem Opfer ein Bleiberecht in Deutschland abgesprochen und gedroht haben, »wenn die NPD an die Macht kommt, ist damit Schluss. Ich habe NPD gewählt.« Die Neonazi-Partei ist mit acht Abgeordneten im Sächsischen Landtag vertreten. Extremismusexperten beobachten seit einigen Jahren Versuche der NPD, sich an »Russlanddeutsche« heranzumachen. Gesteuert wird das unter anderem durch einen »Arbeitskreis der Russlanddeutschen in der NPD«.

Die Rechtsanwälte des Angeklagten stellten gestern mit Befangenheitsanträgen die Urteilsfähigkeit der Richter in Frage.

Bis zum 11. November sind zunächst zehn weitere Verhandlungstermine angesetzt. Es wurden 24 Zeugen geladen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal