Kapitaler Kurssturz

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 1 Min.

Die Mauer fällt, der Markt gewinnt, Marx ist tot und Jesus lebt. So stellte sich mancher das Ende der Geschichte vor. Zwei Dekaden später ist der Kurswert des Kapitalismus stark gesunken, dem Freiheitsrausch folgte der Krisenkater, so jüngste Umfragen. In Bulgarien etwa sank die Zustimmung zur Demokratie um ein Viertel. In Ungarn, der einst »lustigsten Baracke« des realen Sozialismus, schrumpfte die demoskopische Freude über die neue Behausung um 34 auf 46 Prozentpunkte. Zwei von drei Magyaren geben an, dass sich ihre wirtschaftliche Situation verschlechtert habe. In Polen oder Tschechien ist es jeder Zweite. Alles Jammerossis? Der Trend hat längst die Sieger der Geschichte erreicht. 20 Jahre nach dem Niedergang einer gesellschaftlichen Utopie herrscht weltweit große Unzufriedenheit mit dem überlebenden kapitalistischen System, wie die britische BBC bei repräsentativen Stichproben in 27 Ländern herausfand. Lediglich in den USA und in Pakistan findet sich noch eine Fangemeinde jenseits der 20-Prozent-Marke. Unter dem Eindruck der schlimmsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Urgroßvaters Zeiten meint die übergroße Mehrheit der Befragten, dass es in seiner derzeitigen Form nicht gut funktioniere und fordert zumindest soziale Gerechtigkeit, wenn nicht gar eine neue Wirtschaftsordnung. Der Kapitalismus doch als historisch notwendig endliche Gesellschaftsformation? Totgesagte leben manchmal länger.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.