Im Schatten der vier Ringe

Ingolstadt boomt, doch nur solange es dem Autobauer Audi gut geht

  • Frederik Obermaier, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Audi, Öl, Media Markt: In den letzten Jahrzehnten hat sich Ingolstadt von einer kleinen Provinzstadt zu einem der erfolgreichsten Wirtschaftsstandorte der Republik gemausert.

Ingolstadt. Die Einwohnerzahl von Ingolstadt hat sich mehr als verdreifacht, die Zahl der Beschäftigten zur selben Zeit etwa versechsfacht. Keine andere bayerische Großstadt hat nach Angaben des Bayerischen Landesamtes für Statistik derzeit geringere Pro-Kopf-Schulden. Auch die Finanzkrise konnte der Donaustadt mitten im Herzen Bayerns bislang wenig anhaben. Doch die Stadt steht auch im Schatten der vier Audi-Ringe. Vom Wohl und Wehe Audis hängt in Ingolstadt nach wie vor fast alles ab.

Rund 33 000 Audianer

Der Autobauer sei »das zentrale Element der Ingolstädter Wirtschaft und der mit Abstand größte Arbeitgeber«, sagt Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU). Im Ingolstädter Werk laufen pro Jahr rund eine halbe Million Autos vom Band. Derzeit gibt der Autohersteller in Ingolstadt rund 33 000 Menschen Arbeit. Mehr als ein Drittel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in der ehemaligen Herzogsstadt mit ihren rund 124 000 Einwohnern sind »Audianer«. Die Dominanz Audis sei aber auch die Achillesferse des Standortes, warnt der Ingolstädter Wirtschaftswissenschaftler und Stadtrat Joachim Genosko (CSU): »Das bringt in guten Zeiten starkes Wachstum, in Krisenzeiten kann es aber eine große Gefahr darstellen.« Geriete Audi in die Krise, würde dies die Region sehr schwer treffen. Auf Dauer müsse Ingolstadt daher unabhängiger werden von der Automobilbranche.

In den 60er Jahren, als das Ölfieber den Freistaat packte, versuchte Ingolstadt bereits, sich ein zweites wirtschaftliches Standbein neben Audi zu bauen. Rund um die Stadt entstand Bayerns größtes Raffineriezentrum. Zwar kamen mit dem Öl nicht die erhofften vielen Arbeitsplätze, dafür brachte es viel Geld in die Kassen von Ingolstadt samt Umland.

Mittlerweile haben die Konzernzentrale der Elektrokette Media- Saturn, Edeka Südbayern, sowie die Zeitarbeitsfirma Tuja ihren Sitz in Bayerns jüngster Großstadt. Vor den Toren Ingolstadts, direkt an der A 9, eröffnete 2005 Bayerns erstes Outlet-Center. In das Fabrikverkaufsdorf »Ingolstadt Village« strömen mittlerweile pro Jahr etwa 1,5 Millionen Besucher. Wenige Kilometer weiter, im benachbarten Manching, betreibt die Rüstungsfirma EADS Europas größtes militärisches Luftfahrtszentrum. Während sämtliche kreisfreien Städte Bayerns im ersten Halbjahr einen drastischen Gewerbesteuereinbruch beklagten, blieb Ingolstadt neben Würzburg bislang verschont. Die Stadtkasse verbuchte ein Plus von 120 Prozent auf knapp 76 Millionen Euro.

Arbeitslosigkeit wächst

Ganz ohne Kratzer kommt jedoch auch Ingolstadt nicht durch die Krise: Bereits 2010 rechnet die Stadtverwaltung mit einem »gewaltigen Einbruch« bei der Gewerbesteuer. Auch die Wartezimmer der Arbeitsagentur füllen sich allmählich. Zwar ist die Arbeitslosigkeit im Bereich der Hauptagentur Ingolstadt von September auf Oktober um 0,3 Prozentpunkte auf 3,7 Prozent gefallen. Insgesamt sind mit 4245 Arbeitslosen jedoch 39,2 Prozent mehr Ingolstädter ohne Beschäftigung als 2008.

Erst vor wenigen Wochen haben die Bekleidungshersteller Bäumler und Rosner Insolvenz angemeldet, Dutzende Beschäftigte dürften schon bald auf der Straße stehen. Oberbürgermeister Lehmann gibt sich dennoch kämpferisch. Allein 2009 investiert die Stadt 245 Millionen Euro. Zumindest für zwei Jahre könne man ein hohes Investitionsniveau halten, heißt es im Rathaus. Und dann sollte schließlich auch die Wirtschaftskrise überwunden sein.

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