»Wir lehnen Wahlen unter einer Diktatur entschieden ab«

Andrés Pavón über Militarisierung und die Angst vor staatlicher Gewalt

  • Lesedauer: 3 Min.
Der Anwalt Andrés Pavón ist Vorsitzender des Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte in Honduras (CODEH).
Der Anwalt Andrés Pavón ist Vorsitzender des Komitees zur Verteidigung der Menschenrechte in Honduras (CODEH).

ND: Herr Pavón, Sie haben im Zusammenhang mit den Wahlen am Sonntag wiederholt vor drohenden massiven Übergriffen durch Armee und Polizei gewarnt. Worauf stützen Sie Ihre Befürchtungen?
Pavón:Vor einigen Tagen haben uns Offiziere vertrauliche Informationen zugespielt. Die Putschregierung Michelettis plant demnach ein Massaker gegen die Widerstandsbewegung. Diese Gewaltaktionen könnten über 1000 Menschenleben fordern. Wir haben eine Sondertelefonnummer eingerichtet, unter der uns viele Offiziere der Reserve anrufen. Nach ihren Informationen wurden zusätzlich zu den regulären Streitkräften mit einer Stärke von 12 000 Mann rund 5000 Reservisten mobilisiert. Für den Einsatz am Sonntag und Montag zahlt ihnen das Regime 7000 Lempiras (rund 250 Euro), was einem Monatslohn entspricht. Die Anrufer nannten uns auch den Namen des Obersts der Reserve, der in allen Wahllokalen die bewaffneten Einsätze organisiert. Für die Zeit zwischen dem 25. November und dem 2. Dezember, wenn sich Diktator Roberto Micheletti aus der Öffentlichkeit zurückziehen wird, bereitet die De-facto-Regierung einen Notfallplan für die öffentlichen Krankenhäuser vor.

Die CODEH hat zunehmende Morde von Mitgliedern des Widerstandes konstatiert. Wer steht dahinter?
Über 20 Mitglieder des Widerstandes sind in den letzten Tagen ermordet worden. Am Montag entführte eine motorisierte Militärpatrouille den 56-jährigen Lehrer Gravis Espinal, einen Koordinator der Bewegung, aus seinem Auto. Das Leichenhaus rief am Dienstagmorgen seinen jüngsten Sohn Kenneth an: Ein Unbekannter hatte Espinal am Rande der Hauptstadt Tegucigalpa tot aufgefunden. Sein Körper wies die gleichen Folterspuren auf wie die der anderen fünf ermordeten Lehrer – allesamt aktive Mitglieder der »Resistencia«. Die Behörden haben diese Morde nie aufgeklärt. Diese Woche hat die Polizei zahlreiche Aktivisten inhaftiert, die gegen das Regime vor dem Nationalkongress friedlich demonstriert haben. Das Volk lehnt diese Wahlen unter einer Diktatur entschieden ab. Über 100 Abgeordnete und 150 Bürgermeister haben auf ihre Kandidatur verzichtet. Seit dem Staatsstreich sind 90 Prozent der Medien in der Hand der Putschisten und Micheletti wird intensiv von ausländischen Propagandisten unterstützt. Wie haben Beweise, dass US-Agenturen wie die USAID (United States Agency for International Development), die IRI (International Republican Institute), Freedom House und andere Gelder für die Finanzierung des Putsches nach Honduras eingeschleust haben.

Die EU hat noch nicht erklärt, ob sie die Wahlen anerkennen wird. Deutschland beurteilt den Bruch der verfassungsmäßigen Ordnung eher milde. Was sagen Sie dazu?
Die Europäische Union, die deutsche Regierung und vor allem die politischen Parteien müssen wissen, dass es in Honduras einen militärischen Staatsstreich gegeben hat. Das diktatorische Regime Roberto Michelettis hat Verbrechen gegen die Menschlichkeit verübt. Sie haben willkürlich über 3500 Personen verhaftet, es gibt 130 dokumentierte politische Morde. Wegen dieser Fakten sollte die deutsche Regierung die Wahlen in Honduras nicht legitimieren. Sie anzuerkennen würde bedeuten, eine blutige Diktatur zu unterstützen. Es würde bedeuten, in Lateinamerika die Wege zur Zerstörung der demokratisch gewählten Regierungen zu ebnen.

Fragen: Manola Romalo

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