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Staatskrise in Honduras findet kein Ende

Vorwürfe des massiven Wahlbetrugs gegen staatliche Behörden / Unklarheit über Position der Bundesregierung

  • Harald Neuber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Wahlen am Sonntag in Honduras werden die schwere Staatskrise in dem mittelamerikanischen Land nicht überwinden helfen. Am Tag nach der Abstimmung, aus der nach offiziellen Angaben der Kandidat der Nationalen Partei, Porfirio Lobo, als Sieger hervorging, erhoben Vertreter der Demokratiebewegung und unabhängige Medien schwere Vorwürfe gegen die Institutionen.

Noch in der Nacht zum Montag hatte die oberste Wahlbehörde TSE eine Beteiligung von 61 Prozent bekannt gegeben. Damit läge die Teilnahme höher als vor vier Jahren. Damals hatten nur 56 Prozent der Abstimmungsberechtigten teilgenommen. Vertreter der Demokratiebewegung warfen der Wahlbehörde, deren Vorsitzende nach Presseberichten von dem Putschregime rechtswidrig eingesetzt wurden, Manipulation vor. Die Widerstandsfront und der letzte demokratisch gewählte Präsident des Landes, Manuel Zelaya, hatten zum Boykott der Wahlen aufgerufen.

Die Nationale Widerstandsfront gegen den Staatsstreich teilte in einem Kommuniqué mit, »dass die von der Diktatur inszenierte Wahlfarce gescheitert ist«. Nach einer landesweiten Beobachtungsmission schätzt das Protestbündnis die Enthaltung auf bis zu 70 Prozent. »Die Putschregierung versucht krampfhaft, der internationalen Öffentlichkeit eine hohe Wahlbeteiligung vorzutäuschen«, heißt es in dem Dokument weiter.

In der Tat unterstützten sich die Kandidaten der beiden großen Parteien, Elvin Santos und Porfirio Lobo, sowie Machthaber Roberto Micheletti gegenseitig. Santos, der für die Liberale Partei angetreten war, gestand seine Niederlage in der Nacht umgehend ein und sicherte Lobo eine »loyale Opposition« zu. Micheletti führte die angeblich hohe Wahlbeteiligung als Beleg dafür an, »dass die Honduraner in Demokratie und Freiheit leben wollen«. Beistand bekam der Diktator vom Leiter des Bereiches Internationale Politik der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung. »Das waren transparente, faire und saubere Wahlen«, sagte Harald Klein im Interview mit der Tageszeitung »Die Welt«. Zugleich rief die Demokratiebewegung zu weiteren Protesten auf.

Kritik kommt nicht nur von Anhängern Zelayas. Die Nachrichtenagentur Prensa Latina zitiert den Jesuiten und Journalisten Ismael Moreno. Der Geistliche und Direktor der Radiostation Progreso trat entschieden den Darstellungen des TSE entgegen, wonach eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte des Landes verzeichnet wurde. Dies ließe sich nur damit erklären, dass eine entsprechende Feststellung vorab getroffen wurde, so Moreno.

In einem per E-Mail verbreiteten Bericht nährte auch die Bürgerrechtsorganisation CHAAC die Zweifel an einem sauberen Ablauf: »Unmittelbar nach Schließung der Wahllokale begannen die putschnahen Medien zu verbreiten, dass dies die transparentesten, saubersten und am stärksten wahrgenommenen Wahlen in der Geschichte von Honduras gewesen seien«, heißt es in dem Rapport. »Zugleich belegten die Fernsehbilder eine sehr dünne Beteiligung.« Die Organisation verweist auch darauf, dass die Darstellung der Machthaber bis hin zur gleichen Terminologie von willfährigen »Wahlbeobachtern« wiederholt wurde.

In Berlin sorgten Stellungnahmen des Kandidaten Lobo für Aufsehen, denen zufolge die deutsche Regierung ihm die Anerkennung seines Sieges zugesichert hat. Eine ND-Anfrage beim Berliner Außenamt blieb bis zum Nachmittag ohne Antwort. Am Mittwoch will die Bundesregierung den Auswärtigen Ausschuss und den Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung darüber unterrichten, wie sie sich nach den Wahlen in Honduras positioniert.

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