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Bund gibt sich asozial

Anteil an Hartz-IV-Unterkunftskosten soll verringert werden

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Bund will seinen Anteil an den Hartz-IV-Unterkunftskosten verringern. Die gestrige Entscheidung der schwarz-gelben Bundestagsmehrheit hat fatale Folgen für viele Städte und Gemeinden: Sie müssen den Kostenanstieg von 1,6 Milliarden Euro im nächsten Jahr allein stemmen.

Der Bund lässt die Kommunen im Stich. Anstatt, wie zugesagt, die Städte und Gemeinden bei der Unterbringung von Langzeitarbeitslosen um jährlich 2,5 Milliarden Euro zu entlasten, zieht er sich nach und nach aus der Finanzierung zurück. So beschloss der Bundestag am Freitag mit den Stimmen von Union und FDP, die Bundesbeteiligung an den Kosten für Miete und Heizung im nächsten Jahr von 26 auf 23,6 Prozent abzusenken. Dabei ist jetzt schon klar, dass die Gesamtausgaben für die Unterbringung von Hartz-IV-Betroffenen steigen werden.

Im laufenden Jahr beliefen sich die Gesamtkosten auf 14,2 Milliarden Euro. 2010 werden die Kommunen bereits 15,8 Milliarden Euro aufbringen müssen. Da der Bund seinen Anteil bei 3,7 Milliarden Euro einfriert, bleiben Städte und Gemeinden auf den Mehrkosten von 1,6 Milliarden Euro sitzen. Weil dies seit langem bekannt ist, bedrängten Länder und Kommunen den Bund immer wieder, seinen Anteil nicht zurückzufahren. Doch stets verwies man in Berlin auf eine Vereinbarung aus dem Jahre 2008. Damals einigte man sich mit den Ländern auf eine neue Berechnungsformel, die sich nach der Anzahl der Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaften richtet. Seitdem gilt die einfache Formel: Je weniger Bedarfsgemeinschaften, desto weniger Geld gibt es aus Berlin. Sollte die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften wieder steigen, dann müsste der Bund wieder mehr Geld locker machen. Doch in den vergangenen zwei Jahren waren die Zahlen rückläufig.

Kritik an dieser Milchmädchenrechnung kam während der gestrigen Bundestagsdebatte vor allem von der LINKEN. So beklagte Karin Kunert im Namen der Linksfraktion, dass »der Bund die Kommunen im Regen stehen« lasse. Die LINKE hatte einen eigenen Antrag vorgelegt, der keine Mehrheit fand. Die Linkspartei machte in ihrem Papier darauf aufmerksam, dass dem Rückgang der Bedarfsgemeinschaften seit 2007 »kein entsprechender Rückgang der Kosten gegenübersteht«. Deshalb forderte die Fraktion, den Bundesanteil nicht zu kürzen, sondern zu erhöhen.

Der Anpassungsformel des Bundes liegt der ebenso schlichte wie falsche Gedanke zugrunde, dass bei einer sinkenden Zahl von Bedarfsgemeinschaften auch die Gesamtkosten sinken. Dem ist aber nicht so, wie Kunert vorrechnete. So zählte man 2008 in Bochum zwar weniger dieser Notgemeinschaften, dennoch stiegen die Kosten weiter. In den Ländern weiß man, dass der 2008 mit dem Bund vereinbarte Formelkompromiss einfach nicht funktioniert. Deshalb forderte der Bundesrat bereits, die Anpassungsformel an die tatsächlichen Kosten zu koppeln. Doch die Bundesregierung kann sich kompromisslos geben, da die Länderkammer dem Gesetzentwurf nicht zustimmen muss. Die nun beschlossene Kürzung könnte Länder und Kommunen empfänglicher machen für ein schwarz-gelbes Reformprojekt. Im Koalitionsvertrag heißt es, dass »Energie- und Nebenkosten sowie gegebenenfalls die Kosten der Unterkunft« für Hartz IV-Bezieher »pauschalisiert« werden sollen. Somit wären die Kosten auch für die Kommunen berechenbarer. Schöpft der Arbeitslose seine Pauschale aus, bleibt halt die Heizung kalt.

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