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Ein Geben und ein Nehmen

Konjunkturpaket hilft den Kommunen – jetzt brechen Steuern weg

  • Hendrik Lasch, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Vor rund einem Jahr wurde das Konjunkturpaket II beschlossen. Es hat sein Ziel erreicht, sagen Bürgermeister, die viele zuvor unfinanzierbare Projekte in Auftrag geben konnten – aber jetzt sparen müssen, weil Berlin Steuergeschenke verteilt.

In der Heidenauer Grundschule wurde die Wärme die längste Zeit durch die Wand gejagt. Seit Jahren hätten sich seine Baufachleute eine bessere Dämmung gewünscht, sagt Bürgermeister Michael Jacobs (CDU), doch nie war Geld dafür übrig – bis das Konjunkturpaket II kam. »Hoch willkommen« sei es gewesen, betont Jacobs, in dessen Stadt nicht nur die Grundschule isoliert, sondern auch eine Sporthalle saniert wird. Aufträge über 1,5 Millionen Euro konnte das Rathaus zusätzlich vergeben, meist an regionale Handwerker und Baufirmen. Das Paket, resümiert der Rathauschef, »hat sein Ziel erreicht«.

Freude über den Geldsegen herrscht nicht nur in Heidenau. Auch in anderen Städten zeitigt das Programm Wirkung, das am 12. Januar 2009 von den damaligen Regierungsparteien Union und SPD beschlossen wurde und unter anderem Investitionen von zehn Milliarden Euro in Kommunen und Ländern vorsah. Das Geld sollte vorwiegend in den Ausbau von Schulen und Kitas und die Verbesserung der Energieeffizienz gesteckt werden. Um eine schnelle Auslösung der Aufträge sicherzustellen, wurde das Vergaberecht gelockert.

Seitdem wird gebaut. Medienberichten, wonach das Programm zunächst zögerlich umgesetzt wurde, widerspricht Maria Gangloff, Bürgermeisterin in Böhlen. In der Stadt südlich von Leipzig wird mit dem zusätzlichen Geld unter anderem eine Mittelschule saniert. Die Maßnahmen müssten bis 2011 abgeschlossen sein, sagt die Linkspolitikerin: »Wir wollen aber schon in den Winterferien 2010 fertig sein.« Die Förderanträge würden zügig bearbeitet, sagt Gangloff; die Kommunen hätten zuvor »in kürzester Zeit« Vorschläge unterbreitet. Manchmal offenbar zu schnell: Pläne dafür, einen Böhlener Sportplatz mit Kunstrasen auszustatten, hätten sich als nicht umsetzbar erwiesen; nun sei zu klären, ob das bewilligte Geld auch für geänderte Pläne ausgegeben werden kann.

Immerhin: Ganz so einfach, wie es der Bund zugelassen hat, wollen es sich die Kommunen gar nicht machen. Von der Möglichkeit, auch größere Aufträge ohne Ausschreibung zu vergeben, wird weder in Böhlen noch in Heidenau Gebrauch gemacht. »Wir sind vorsichtige Kaufleute«, sagt Jacobs und erinnert an das Hochwasser 2002, als Bürgermeister ebenfalls zu schnellem Handeln gedrängt worden seien. Später kamen die Rechnungsprüfer, erinnert sich Gangloff: »Von Vereinfachung war dann keine Rede mehr.«

Vor allem die Ausschreibungen zeigen, dass das Programm offenbar wirkt: Er habe sich »ein paar Absagen eingehandelt«, weil viele Handwerks- und Baufirmen ausgelastet seien, bestätigt Jacobs. Es gab aber auch andere unangenehme Überraschungen: Große Nachfrage lässt die Preise steigen, wodurch Projekte teurer werden als zunächst veranschlagt. Die Zusatzkosten bleiben an den Kommunen hängen: »Das ist unser eigenes Bier«, sagt Jacobs, der den Mehraufwand in seiner Stadt auf 450 000 Euro beziffert – Geld, das nicht überall verfügbar ist.

Ohnehin ist der Eigenanteil der Kommunen zwar gering; er liegt meist bei 20 Prozent. Es gebe aber genügend klamme Kommunen, die auch diese Mittel nicht aufbringen könnten, sagt Gangloff. »Denen nützt das Programm nichts.«

Und auch Städte und Gemeinden, in denen das Konjunkturprogramm für vorübergehende Belebung sorgte, erleben dieser Tage ein böses Erwachen. Grund sind die Steuergeschenke, die in Berlin verteilt werden. Allein eine Stadt wie Böhlen, die aus dem Konjunkturpaket rund 800 000 Euro erhielt, büßt nun 252 000 Euro Einnahmen aus der Gewerbesteuer ein. »Mit der einen Hand wird gegeben, mit der anderen Hand wird genommen«, sagt Gangloff. Die Freude über die Geschenke vom Vorjahr ist angesichts dessen beizeiten wieder verflogen.

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