Viele Pisten – doch meist für Touristen

An Brandenburgs Straßen fehlen Radwege

  • Wilfried Neiße, Potsdam
  • Lesedauer: 3 Min.
Das Netz der touristisch genutzten Radpisten in Brandenburg ist gut ausgebaut. Für die Alltagsnutzung gibt es jedoch weiterhin zu wenig Wege.

Der Bau des überregionalen Teils des brandenburgischen Radwegenetzes könne »im Wesentlichen als abgeschlossen« betrachtet werden, erklärt Brandenburgs Wirtschaftsminister Ralf Christoffers (LINKE). Das Land verfügt über ein Radwegenetz mit einer Gesamtlänge von rund 9400 Kilometern, wobei alte und neu angelegte eingerechnet sind. Investiert wurden dafür rund 200 Millionen Euro, die vorrangig aus Töpfen der Europäischen Union stammen.

Inzwischen ist laut Christoffers der Radreiseverkehr in Brandenburg »zu einer festen touristischen Größe« geworden. 2008 wurden 780 Millionen Euro Umsatz verbucht. Damit liegt Brandenburg im Deutschlandmaßstab an der Spitze. Von 15 Radwegen, die vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) mit drei beziehungsweise vier Sternen bewertet wurden, liegen neun in der Mark.

Fünf Verbindungen mit historischen Stadtkernen

Was noch erfolgen müsse, seien regionale Ergänzungen, um »touristisch attraktive Orte an das Wegenetz anzuschließen«, erläuterte Christoffers. Als Beispiel nannte er Potsdam, wo die Stätten es Weltkulturerbes mit dem europäischen Radfernwanderweg R1 verknüpft werden. Im Jahr 2010 soll daran gegangen werden, auf fünf Radrouten die Städte mit historischem Stadtkern miteinander zu verbinden. Den Worten des Ministers zufolge wird sich eine »Wabenstruktur« ergeben, die insbesondere für Kurzurlauber das bisherige Angebot an Radwanderwegen ergänzt. Rund 2,5 Millionen Euro sollen diese Projekte kosten.

Im Koalitionsvertrag haben SPD und LINKE sich vorgenommen, die touristische Vermarktung Brandenburgs weiter auszubauen. Dazu sollen der Wasser- und der Radfahrtourismus weiter aufeinander abgestimmt werden. Zwischen 2000 und 2008 ist laut Minister die Zahl der Übernachtungsunternehmen mit Bed-&-Bike-Zertifizierung von 25 auf 340 angewachsen. »Nirgendwo in Ostdeutschland konnte eine solch intensive Verbindung von Infrastruktur und Betrieben realisiert werden.«

Noch vor zwei Jahren wies der vielversprechende Radweg Berlin-Usedom in Brandenburg mehrere Lücken auf. Die sind inzwischen fast geschlossen. Die Kosten für die Lückenschließung betragen insgesamt 5,6 Millionen Euro, wovon 3,45 Millionen die Europäische Union zugeschossen hat. Zwischen Mitte der 1990er Jahre und 2006 wurden 120 Millionen Euro aus öffentlichen Kassen aufgewendet, um über 2200 Kilometer Radwanderwege neu zu bauen. Brandenburg ist an das Radwegefernnetz Deutschlands in Nord-Süd-Richtung durch den Elbe-Radweg, den Radweg Berlin-Kopenhagen und den Oder-Neiße-Radweg angeschlossen. In Ost-West-Richtung führt der Europa-Radweg R1 durch das Land. Im Schnitt kostet der Ausbau eines Kilometers Radweg 80 000 Euro. Zu klären sind nicht nur Eigentumsfragen. So muss auch der Naturschutz beachtet werden.

Viele brandenburgische Radverbindungen beginnen an der Berliner Stadtgrenze, von wo auch die meisten Radwanderer ihre Touren starten. Fachleute schätzen, dass jeder zehnte Berliner Tourist in Brandenburg mit dem Rad unterwegs ist. Auf diese Urlauber entfallen rund sieben Prozent des Gesamtumsatzes der brandenburgischen Tourismusbranche. Einer Faustregel zufolge geben Radwanderer 20 Prozent mehr Geld aus als andere Touristen, weil sie auf den Rädern weniger Vorräte mitführen können als beispielsweise Menschen, die mit dem Auto in den Urlaub fahren.

Bei den Radwanderwegen sieht es also gut aus. Doch in Brandenburg sind erst 20 Prozent der Bundes- und Landesstraßen mit Radwegen versehen. In Mecklenburg-Vorpommern sind es immerhin schon 22 Prozent. Und nur neun Prozent der märkischen Kreisstraßen – also 275 Kilometer – sind mit einem Radweg versehen. Dabei trug der Anstieg der Benzinpreise dazu bei, dass vieler Brandenburger auf das Rad umsteigen, solange dies möglich ist.

Mehr als 3000 Autos in 24 Stunden

In der Prioritätenliste zum Radwegeprogramm von 1994 hatte das Verkehrsministerium 1100 Abschnitte an Bundes- und Landesstraßen festgelegt, bei denen die Einrichtung eines Radweges als »dringend« gesehen wurde. Das Maß ist dabei die Zahl der vorbeifahrenden Autos pro Tag. Wenn es mehr als 3000 Kraftfahrzeuge in 24 Stunden sind, ist die Anlage eines parallelen Radweges geboten. Von den geplanten 1700 Kilometern Radweg entlang der Bundesstraßen können heute 700 bis 800 Kilometer genutzt werden. An den Landesstraßen sind Radwege in einer Länge von 1700 Kilometern vorgesehen, realisiert sind wenig mehr als 500 Kilometer.

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