Neue Wehrpflicht: Dienen die Grünen Deutschland?

Das Wehrdienstgesetz könnte an diesem Freitag im Bundesrat scheitern – wenn alle Oppositionsparteien bei ihrem Nein bleiben

Die Pläne für das neue Wehrdienstgesetz wurden mit bundesweiten Schülerprotesten beantwortet.
Die Pläne für das neue Wehrdienstgesetz wurden mit bundesweiten Schülerprotesten beantwortet.

An diesem Freitag steht im Bundesrat ein Gesetz zur Abstimmung, das den Wehrdienst modernisieren soll. Eine verharmlosende Formulierung, denn es geht um die schrittweise Rückkehr zur Wehrpflicht und damit um einen Pfeiler der Remilitarisierung in Deutschland.

Vor 14 Jahren hatte die Bundesregierung die Wehrpflicht ausgesetzt; seitdem zogen nur noch Freiwillige die Uniform an. Doch nun soll die Bundeswehr vergrößert werden, von derzeit gut 180 000 Soldatinnen und Soldaten auf 260 000 in zehn Jahren. Ziel ist es außerdem, dass neben der aktiven Truppe bis zu 200 000 Reservisten mobilisiert werden können. Begründet wird das vor allem mit einer angeblichen russischen Gefahr. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) führte den Begriff der Kriegstüchtigkeit in die politische Debatte ein; Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) will die Bundeswehr zur größten konventionellen Armee in Europa machen.

Vor diesem Hintergrund beschloss der Bundestag Anfang Dezember mit den Stimmen von CDU, CSU und SPD das neue Wehrdienstgesetz; gegen die Stimmen von AfD, Grünen und Linke. Demnach sollen alle jungen Männer Fragebögen zum Dienst in den Streitkräften ausfüllen; für junge Frauen ist das freiwillig. Die jungen Männer werden komplett gemustert; finden sich nicht genügend Freiwillige pro Jahrgang für den Wehrdienst, sollen mit einer »Bedarfswehrpflicht« die Vorgaben erfüllt werden. Ob es dabei zum vorgeschlagenen Losverfahren kommt, ist noch nicht entschieden.

Die Gründe der Opposition, das Wehrdienstgesetz abzulehnen, sind sehr unterschiedlich. Der AfD geht die neue Wehrpflicht nicht weit genug; einer ihrer Redner im Bundestag wünschte sich »geborene Verteidiger der deutschen Schicksalsgemeinschaft«. Die Grünen wollen eine stärkere Betonung des Zivilschutzes; Die Linke möchte die Wehrpflicht ganz abschaffen, weil junge Menschen nicht ihren Kopf für das Kapital hinhalten sollten, wie eine Rednerin im Bundestag sagte. Das BSW plädiert laut Parteigründerin Sahra Wagenknecht für ein ziviles Gesellschaftsjahr für junge Leute und schlägt vor, dass Menschen unter 30 in einer Volksabstimmung über die Wehrpflicht entscheiden. Die FDP fordert, dass auch alle jungen Frauen gemustert werden.

Geht man nach diesen Äußerungen und dem Abstimmungsverhalten im Bundestag, dann ist es alles andere als sicher, dass das Gesetz durch den Bundesrat kommt. Die Länder, in denen Linke, BSW, Grüne oder FDP mitregieren, haben 47 der 69 Stimmen. Kann eine Landesregierung sich nicht auf eine Meinung einigen, enthält sie sich im Bundesrat der Stimme, was faktisch wie ein Nein wirkt. Denn um ein Gesetz zu bestätigen, ist eine absolute Mehrheit der Ja-Stimmen nötig – also mindestens 35.

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Vor der Abstimmung im Bundesrat hat »nd« die Vertreter von Grünen, Linke, BSW und FDP in den Landesregierungen gefragt, wie sich zum Wehrdienstgesetz verhalten werden. Aus Thüringen erfuhren wir, dass sich das Land enthalten wird, weil das dort mitregierende BSW das Gesetz ablehnt. Gleiches gilt für Bremen und Mecklenburg-Vorpommern, wo Die Linke mitregiert. Die Linke lehne »verpflichtende Musterungen und einen Wehrdienst per Losverfahren ganz klar ab« und habe sich in der Landesregierung entsprechend positioniert, teilte der Linke-Landesvorsitzende Hennis Herbst aus Mecklenburg-Vorpommern dem »nd« mit.

Für Linke und BSW ist Friedenspolitik ein zentrales Thema. Beiden Parteien dürften diesmal Auseinandersetzungen erspart bleiben, die sie schon hatten, wenn das Abstimmungsverhalten von Landesvertretern nicht der Parteilinie entsprach. Die Linke-Vertreter von Mecklenburg-Vorpommern und Bremen hatten im Bundesrat die Sondervermögen für Infrastruktur und Bundeswehr abgenickt, die im Paket abgestimmt wurden – und damit eben auch Ja gesagt zur massiven Aufrüstung. Und das BSW in Thüringen und Brandenburg hatte den in der Partei heftig attackierten Medienstaatsverträgen zugestimmt bzw. die Zustimmung der Landesregierung ermöglicht.

Sachsen-Anhalt, wo CDU und SPD mit der FDP regieren, wird sich beim Thema Wehrdienst ebenfalls enthalten, wie »nd« erfuhr. Entscheidend werden aber die sieben Bundesländer mit grüner Regierungsbeteiligung sein. Von dort erhielt »nd« keine Antwort; allenfalls die Bemerkung, dass man sich zum Wahlverhalten vorher nicht äußere oder die Entscheidung erst am Freitag treffe. Man darf also gespannt sein, ob die Grünen beim Nein aus dem Bundestag bleiben oder am Ende doch – in Anlehnung an einen Bundeswehrslogan – Deutschland dienen werden.

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