Am Anfang war das Delta

Vom Hochrisikogebiet zum Vorbild beim Wassermanagement

  • Tobias Müller, Amsterdam
  • Lesedauer: 3 Min.
Wenn alle Versuche, den Klimawandel zu stoppen, nicht fruchten, hilft nur noch eins: die Anpassung an die neuen Bedingungen. Die Niederlande haben sich mit Forschung und ambitionierter Technologie quasi zur Notfall- Avantgarde gemausert.

 

Von Forschern heißt es oft dramatisch: »Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass der Klimawandel nicht verhindert werden kann, auch nicht mit aller guten Absicht.« Bereits 2007 wurde daher in den Niederlanden ein Projekt beschlossen, das einen anderen Schwerpunkt setzt: die »Nationale Adaptionsstrategie«, ein landesweiter Plan zur Anpassung an veränderte Klimabedingungen.

Der Hintergrund dieser Nüchternheit liegt auf der Hand. Die Hälfte der Niederlande liegt höchstens einen Meter über dem Meeresspiegel, ein Viertel gar darunter. Dazu kommt im Südwesten des Landes die Deltaregion der drei großen Flüsse Rhein, Maas und Schelde mit zahlreichen Nebenarmen. Durch zunehmende Niederschläge werden diese mehr Wasser führen, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Überschwemmungen steigt. Dieses Delta ist eine der am dichtesten bevölkerten Regionen in Europa .

Kein Wunder also, dass die Niederlande einer der Pioniere auf dem Gebiet der Anpassung an den Klimawandel sind. Bereits 2000 veröffentlichte die »Kommission Wasserverwaltung 21. Jahrhundert« ihren Abschlussbericht. Auf diesen stützt sich heute der Ansatz, Überschwemmungen nicht nur mit höheren Deichen vorzubeugen, sondern auch,  indem Flussbetten verbreitert und Dämme verlegt werden. Zudem sollen im Krisenfall sogenannte Notüberlaufgebiete kontrolliert geflutet werden. Auch die Befestigung der Küstenlinie wird derzeit generalüberholt.

Ausdrücklich im Zeichen des Klimawandels steht zudem die von der Regierung beauftragte »Deltakommission«. Auf ihrer 2008 veröffentlichten Studie basiert das neue »Deltaprogramm« zum Hochwasser- und Küstenschutz bis zum Jahr 2100. Das Budget für Präventionsmaßnahmen, bisher zwei Milliarden Euro im Jahr, soll ab 2020 auf drei Milliarden erhöht werden.

Mit dem wachsenden Verständnis der globalen Erwärmung lässt sich solche Expertise auch international vermarkten. Jüngstes Beispiel ist das in Kopenhagen lancierte Netzwerk »Delta Alliance«: Länder mit ähnlichen geografischen Bedingungen wie die Niederlande sollen dort Wissen austauschen und Lösungsansätze diskutieren. Treibende Kraft dahinter ist das niederländische Forschungsinstitut Deltares. Cees van de Guchte, Leiter der Abteilung »Klimaanpassung und Risiken«, bestätigt, dass die heutige Vorbildfunktion der Niederlande auf deren jahrhundertelangen Kampf gegen das Wasser zurückgeht.

Genau dies wird in der offiziellen Anpassungsstrategie als ausdrücklich erwünschter Nebeneffekt genannt. Gestützt werden diese Anstrengungen von international renommierten Forschungseinrichtungen wie der Technischen Universität Delft, der auf Umweltaspekte spezialisierten Universität Wageningen, dem Amsterdamer Institut für Umweltfragen oder dem meteorologischen Institut KNMI. In einem Jahrzehnt entstand eine Vielzahl von Initiativen und Forschungsprojekten.

Weniger beeindruckend fällt jedoch die Zwischenbilanz bei den eigenen Klimazielen aus. Zwar sieht die Regierung die Niederlande als »eines der saubersten und sparsamsten Energieländer Europas«. Dass es damit jedoch vorerst nichts wird, machten Organisationen wie die »Stiftung Natur und Umwelt« schon zu Jahresbeginn klar. Bestenfalls die Hälfte des anvisierten 30 Prozent geringeren CO2-Ausstoßes werde erreicht. Vielleicht ein weiteres Argument, die Anpassungsstrategien zu verstärken.

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