Betrugsvorwurf bei Kölner U-Bahnbau

Staatsanwaltschaft will keine Verbindung mit dem Einsturz des Stadtarchivs herstellen

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Im Zusammenhang mit dem U-Bahnbau in Köln, der im März 2009 zum Einsturz des Stadtarchivs geführt hatte, gibt es neue Vorwürfe gegen Baufirmen. Die Staatsanwaltschaft geht dem Verdacht des Betrugs bei der Abrechnung von Bauarbeiten nach.

Köln (dpa/ND). Neue Entwicklung im Zusammenhang mit dem Kölner U-Bahnbau, der im März 2009 zum Einsturz des Stadtarchivs führte: Wegen Betrugsverdachts bei der Abrechnung von Bauarbeiten seien Ermittlungen aufgenommen worden, sagte Oberstaatsanwalt Günther Feld am Freitag. Er bestätigte damit entsprechende Medienberichte. Möglicherweise seien auch technische Aufzeichnungen manipuliert worden. »Die Vorwürfe stehen aber ausdrücklich nicht im Zusammenhang mit der Ursache des Archiveinsturzes«, betonte Feld.

Am 3. März 2009 waren das Historische Stadtarchiv und zwei benachbarte Wohnhäuser eingestürzt. Zwei Menschen kamen ums Leben, wertvolle Kulturgüter wurden verschüttet. Die Betrugsvorwürfe beziehen sich zwar auf den Bau der U-Bahn, erklärte Feld. Sie würden aber bewusst in einem rechtlich eigenständigen Ermittlungsverfahren behandelt. Die Büros mehrerer Firmen waren durchsucht worden. Laut »Kölnische Rundschau« wurde auch in Privaträumen gezielt nach bestimmten Baudokumenten gesucht.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) hätten der Behörde Auffälligkeiten gemeldet und das Verfahren ins Rollen gebracht. Die KVB ist Bauherrin der derzeit entstehenden unterirdischen Nord-Süd- Bahn. Der Oberstaatsanwalt betonte, im Zusammenhang mit dem Betrugsvorwurf seien bei der Durchsuchung Dokumente beschlagnahmt worden. Bei Protokollen zum Bau der sogenannten Schlitzwände bestehe Anfangsverdacht, dass technische Aufzeichnungen manipuliert worden sein könnten.

Löchrige Schlitzwand

Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch immer die genaue Unglücksursache des Archiveinsturzes. Gutachter, die von der Behörde beauftragt worden waren, brauchen wohl noch Monate, um die Hintergründe vollkommen zu klären, betonte Feld. Die KVB erklärte, es sei bei Kontrollen aufgefallen, dass in den Dokumentationen zum Bau der Schlitzwände – das sind unterirdische Sicherungswände – in ganzen Passagen identische Formulierungen auftauchten. Das Unternehmen habe die Staatsanwaltschaft informiert.

Immer wieder war über eine löchrige Schlitzwand berichtet worden, die das Archiv möglicherweise zum Einsturz gebracht habe; laut Staatsanwaltschaft ist das aber »reine Spekulation«. Grubenwasser in der U-Bahnbaustelle könnte der Theorie zufolge durch die Löcher geströmt sein und das Erdreich unter dem Archiv weggespült haben.

Nach dem Unglück am 3. März 2009 lagen tausende wertvoller Akten und Bücher unter Tonnen von Schutt begraben, vieles davon war zudem durch Regen und Grundwasser durchnässt. Fachleute begannen sofort damit, das Archivgut zu trocknen. In Münster, wohin ein Großteil der Dokumente gebracht worden war, liefen die Trocknungsmaschinen bald rund um die Uhr. Mehr als 20 Tonnen an Büchern und Akten haben die Mitarbeiter der Restaurierungswerkstatt des Westfälischen Archivamtes seither behandelt. Unmittelbar nach dem Unglück waren die nassen Kölner Pergament-Bündel und Bücher zunächst jedoch in ein Kühlhaus nahe Münster gebracht worden, um sie dort bei minus 25 Grad einzulagern. Durch das Tieffrieren sollte Schimmelbildung und Verklebungen vorgebeugt werden.

Neusortierung beginnt

Erst nach und nach haben die Restaurierungsfachleute die Akten dann in ihre Werkstatt geholt. Dort wurden sie in einer Anlage ähnlich einem Gefrierschrank getrocknet. Die Akten waren dort einem Vakuum ausgesetzt, das Eis ging dabei vom festen sofort in einen gasförmigen Zustand über.

Nach dem Absaugen des Gases blieben nur trockene Seiten übrig. Die meisten von ihnen waren innerhalb von zwei bis vier Tagen trocken, nur für einige richtig nasse Dokumente brauchte man bis zu zwei Wochen. Inzwischen konnten Mitarbeiter des Kölner Stadtarchivs damit beginnen, das gerettete Archivgut zu sortieren.

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