Die Ost-West-Frau-Mann-Frage

Der neue Vorstand soll die Pluralität der Partei abbilden, das gibt zusätzliche Personalprobleme

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 3 Min.
Die LINKE sucht nach neuem Personal für den Parteivorstand. Ein schwieriges Unterfangen. Von einer »superlangen Nacht von Gesprächen« – bis zum Wochenende – ist die Rede.

Bei den Grünen war es ähnlich. Solange sie mit den basisdemokratisch auferlegten Quoten von Mann und Frau, Ost und West, Fundis und Realos jonglierten, war eines sicher: dass nach mühsam getroffener Personalentscheidung irgendjemand nicht zufrieden war und sich benachteiligt sah. Inzwischen gehen die Grünen lockerer mit dem Thema um.

Die LINKE hat jetzt dieses Problem. Die Suche nach einer schlagkräftigen Mannschaft an der Parteispitze, die den begnadeten, aber scheidenden Einzelkämpfer Oskar Lafontaine ersetzen kann, soll in einer Doppelspitze münden. Dies ist das absehbare Ergebnis der Diskussion, auch wenn einzelne Stimmen noch immer für nur eine Führungsfigur plädieren. Interessantes Detail ist, dass unter denen, die aus ihrer Abneigung gegen die Doppelspitze kein Hehl machen, Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch und Diether Dehm sind, Politiker mit sehr unterschiedlichen Auffassungen über Politikstil und -inhalte und in der Vergangenheit häufig Antipoden im Kampf um vermeintliche Real- oder Extrempositionen.

Die ersten Personalvorschläge, unterbreitet vom Thüringer Spitzenmann Bodo Ramelow, hatten sich am Montag schon wieder in Luft aufgelöst, nachdem Dagmar Enkelmann und Petra Pau, zwei Führungsfrauen aus der Bundestagsfraktion, dankend ablehnten. Ramelow selbst, nach eigenen Ambitionen befragt, antwortete gewohnt einprägsam. »Mein Hund und ich sind strikt dagegen.«

Alles scheint auf Gesine Lötzsch und Klaus Ernst zuzulaufen, die auch ein Quotenproblem lösen würden. Frau und Mann, Ost (Lötzsch) und West (Ernst). Doch was die Grünen offen bekannten, haben so ähnlich die LINKEN auf der Rechnung, wenn auch eher mit zusammengebissenen Zähnen: ein Fundi-Realo-Problem. Hier gehören eher beide, Lötzsch und Ernst, zum Flügel der Realpolitiker, ungeachtet der Fähigkeit zum radikalen Formulieren.

Im Streit der letzten Wochen hatte sich die Kluft zwischen Strömungen der Partei gezeigt, die sich vor allem an inhaltlichen Fragen festmachen lässt. Auf dem Baden-Württemberger Landesparteitag vom Wochenende wurde hierfür mehrfach die Formel genannt: Regierungsbeteiligung dürfe nicht zum »Verrat an programmatischen Grundsätzen« führen. Ein Vorwurf, der – vor allem im Westen – bis heute den Brandenburger Genossen gemacht wird. Und das Ringen auf Delegiertenkonferenzen um Mandate für den Bundesparteitag in Rostock ist auch ein Ringen um die Stärkung des eigenen Flügels.

Personalideen für den Vorstand werden in Teilen der Basis argwöhnisch darauf geprüft, ob sie das eigene Politikverständnis, das sich auch, aber nicht allein nach Ost und West sortiert, abbilden. Dem Vernehmen nach pochen auch Strömungen wie die Antikapitalistische Linke an die Pforten des Vorstands. Quotenwünsche werden auch in die Rechnung unterhalb der Vorsitzendenebene, also beim Posten des Bundesgeschäftsführers und bei den Vizevorsitzenden, einbezogen. Ernst selbst hatte im ND-Interview am Wochenende verlangt, die »Pluralität der Partei« müsse sich im Vorstand abbilden. Doch auch er muss die Misstrauenskontrolle passieren. Zu Kritik soll angeblich die Vertrautheit beider favorisierten Politiker mit Lafontaine geführt haben. Endet das in einer Nah-Fern-Quote – für Nähe oder Distanz gegenüber Lafontaine?

Von einer Quotenfalle sprach man bei den Grünen. Doch die Quote folgt einer wichtigen Erkenntnis – der Erkenntnis vom notwendigen innerparteilichen Interessenausgleich. Etwas völllig anderes als die Vergatterung der Basis auf eine Linie, die zu verlassen dann womöglich ein Risiko bedeutet. Freilich: Die Geschlossenheit als immer noch gültiges Kriterium des Parteienerfolgs über die Quote herzustellen, ist schwieriger als über einen Politbürobeschluss.

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