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Den Höllenpakt zerreißen

Franz Schrekers letzte Oper in Chemnitz – bejubelter »Schmied von Gent«

  • Werner Wolf
  • Lesedauer: 4 Min.
Smee (Oliver Zwarg), der Schmied, mit seinen Begleitern
Smee (Oliver Zwarg), der Schmied, mit seinen Begleitern

Selbst Werke vor 1933 so erfolgreicher, dann aber dem faschistischen Rassenwahn zum Opfer gefallener Komponisten wie Franz Schreker sind heutzutage nur selten zu erleben. Immerhin: Des Komponisten erster großer Opernerfolg »Der ferne Klang« wurde bis vor kurzem in der Staatsoper Berlin gespielt. Nun wartete die Oper Chemnitz mit Schrekers letzter, am 29. Oktober 1932 uraufgeführter, auf Betreiben der Nazis nach wenigen Aufführungen abgesetzter Oper »Der Schmied von Gent« auf und entfachte mit ihm stürmischen Beifall.

Gefeiert wurden zuerst die Interpreten, voran der großartige Oliver Zwarg in der grandios gestalteten umfangreichen und anspruchsvollen Titelpartie, doch auch das gesamte, leistungsstarke Solistenensemble, der Opernchor wie auch der Kinderchor, das Kinderballett und nicht zuletzt die von Frank Beermann geleitete Robert-Schumann-Philharmonie.

Dieses von Schreker als Oper für Jedermann gedachte und als »Große Zauberoper« bezeichnete Werk lässt unschwer »Die Zauberflöte« von Mozart und Schikaneder als Vorbild erkennen. Es setzt Erde, Hölle und Himmel in Bewegung, so wie es der auf Publikumserfolg bedachte Theaterdirektor in Goethes »Faust« empfiehlt. Doch schon wenn im ersten Bild der Chor der Schmiedegesellen in kräftiger Weise »Schlagt auf die Trommeln« singt, die gegen die Fremdherrschaft in den Niederlanden kämpfenden Geusen hoch leben lässt und »die spanische Pest« verurteilt, wird klar, vor welch brisanten politischen Hintergrund das Ganze spielt, welche Parallelen der Theaterbesucher (nicht nur) zur Situation der Uraufführungszeit ziehen kann.

In Charles de Costers »Smetse Smee« aus den »Vlämischen Mären« fand Schreker die ideenreiche Vorlage. Verrat durch seinen Konkurrenten; Simbroek (Edward Randall) treibt den Schmied Sme, den Titelhelden, dem Teufel in die Arme. Die vom Höllenfürsten garantierten sieben guten Jahre nutzt Sme für gute Taten. So helfen er und seine gutmütige, stets besorgte Frau (Undine Dreißig) einem armen, mit einem Kleinkind und einem Esel herumziehenden Ehepaar, das sich später als Maria (Anna Erxleben) und Josef (Matthias Winter) mit dem Jesuskind entpuppt. Es verspricht Smee die Erfüllung dreier Wünsche. Diese Wünsche nutzt Smee, um den tyrannischen Herzog Alba (Martin Gäbler), die teuflische Astarte (Judith Kuhn) und den Henker Hessels (Viktor Sawaly) aus der Welt zu schaffen. Es gelingt Smee auch, den Höllenpakt zu zerreißen.

Doch Luzifer lässt die Schmiede zerstören. Smee stirbt. Auf seiner nunmehrigen »Wanderschaft«, der sich der Geselle Flipke (André Riemer) und der inzwischen versöhnte Simbroek anschließen, will ihn weder die Hölle noch der von Petrus (Kouta Räsänen) bewachte Himmel haben. Da greifen, nachdem sich Smee und seine beiden Begleiter vorm Himmelstor zechend niedergelassen haben und ein deftiges Trinklied singen, Josef und Maria wie auch Smees Frau ein. Deren Fürsprache erreicht den Eintritt Smees und seiner beiden Begleiter. Der große Chor der »Himmlischen« nimmt sie mit jubelndem Gesang auf.

In diesem Schlussbild, aber auch in manch anderen Szenen geht es köstlich naiv zu. Dennoch spricht auch aus ihnen das ernste Plädoyer Schrekers für eine bessere Welt. In den tragischen Szenen Smees prägt Mahlerscher Ernst das musikalische Geschehen, nicht nur im Trauermarsch zu Smees Tod. Wie der Handlungsgang immer wieder Kontraste vor Augen führt, gestaltet die Musik diese Gegensätze. Das führt von einfacher Harmonik in den Liedern bis zu komplizierten Bildungen in den tragischen Szenen. Alles wird durch Schrekers ganz eigene Handschrift mit ihrer farbenreichen Instrumentation zu einem stimmigen Ganzen gefügt.

Frank Beermann gestaltet diese Vielfalt mit der Robert-Schumann-Philharmonie, den Solisten und den Chören überzeugend und denkbar eindringlich. Da darf man gespannt auf den Mitschnitt für die bei CPO erscheinenden CDs warten.

Der Regisseur Ansgar Weigner zeigt sich auf originelle Darstellung bedacht und kann sich dabei auf die Spielfreude aller Ensemblemitglieder stützen. Da wecken viele hübsche Einfälle Vergnügen, bleibt aber auch der Ernst des Ganzen zu spüren. Siegfried E. Mayer und Claudia Möbius entwarfen die diesen Absichten entsprechenden Bühnenbilder und Kostüme.

Der Versuch, biografische Bezüge des Komponisten zum Geschehen sichtbar zu machen, erweist sich aber als unfruchtbar. Wer nicht vorher das Programmheft genau gelesen hat, wundert sich, warum da Smee zunächst mit (Künstler-)Jackett eine reichlich lange Minute vor Beginn des musikalischen Vorspiels sinnierend vor einem hoch geklappten, überdimensionalen Flügeldeckel am rechten Bühnenrand sitzt. Er wird vom Regisseur auch als Notenschmied (als Franz Schreker) gesehen. Diese Position muss Smee im Laufe des Abends mehrmals einnehmen, ohne dass dadurch etwas Wesentliches ausgedrückt wird. Das kann gut und gern vergessen und auch weggelassen werden.

Der starke Eindruck dieses Opernabends wird vom Werk wie von den darstellerischen, gesanglichen und orchestralen Leistungen aller Mitwirkenden bestimmt.

Nächste Vorstellungen: 14.2. und 13.3.

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