Die letzten Amateure

Curling ist in Kanada Volkssport Nummer zwei

  • Oliver Händler
  • Lesedauer: 3 Min.

»Endlich«, so könnten sich die Curler sagen, »spielen wir vor unserem Publikum«. Das olympische Curlingturnier von Vancouver verspricht, atmosphärisch das beste aller Zeiten zu werden. An jedem Tag der zweiwöchigen Wettbewerbe ist das fast 6000 Zuschauer fassende Vancouver Olympic Centre ausverkauft. Für das Männerfinale hätten locker 200 000 Karten verkauft werden können, so beliebt ist dieser Sport in Kanada, nur Eishockey steht noch darüber.

Während Curling in Europa ob der Wischeinlagen auf dem Eis noch immer als »Hausfrauensport« missverstanden wird, ist das kanadische Publikum wohl das fachkundigste der Welt. »Da ist die Stimmung so groß, als wenn Michael Ballack in Deutschland spielt«, vergleicht Andreas Kapp, Skip der deutschen Männermannschaft aus Füssen. »Nur mit dem Unterschied, dass wir die letzten Amateure bei Olympia sind.« Von 1,4 Millionen Curlern weltweit spielt eine Million in Kanada. Für Kapp ist das Land ein gutes Pflaster. Drei seiner vier WM-Medaillen hat er hier gewonnen. Eine olympische fehlt ihm noch. »Natürlich ist die drin«, sagt Kapp, »aber wir können auch Letzter werden – so eng ist das Feld hier.«

In der Tat ist Curling ein kaum zu berechnender Sport. Bei der benötigten Präzision wird schnell ein Stein ein paar Zentimeter zu lang gespielt oder ein anderer verfehlt. »Da braucht man auch etwas Glück«, sagt Andrea Schöpp, Spielführerin der deutschen Frauen. Im Dezember holte die Lehrerin aus Riessersee bei der EM ihr erstes Gold bei einem Großereignis nach elf Jahren. »Für mich war das trotzdem nicht überraschend. In dem Feld ist ein Sieg immer möglich, aber auch Niederlagen.«

So freuen sich alle Teilnehmer auf zwei Elitefelder und ein Publikum, das schon bei der Vorstellung der Spieler jubelt. Andreas Kapp: »In Kanada bin ich bekannter als in Deutschland. Das sagt doch schon alles.«

Curling

Geschichte: Seinen Ursprung hat Curling im 16. Jahrhundert in Schottland. Der Name leitet sich von den auf dem Eis gleitenden drehenden Steinen (engl. to curl) ab. Noch immer kommen die meisten Spielsteine aus Steinbrüchen in Schottland und Wales. Schottische Soldaten sorgten dafür, dass der Sport vor allem in Kanada zu einem Volkssport wurde.

Olympia: Seit 1998 bekommen Curler Olympiamedaillen. Sie hatten eine lange Bewerbungsphase. Schließlich war der Sport 1924, 1932, 1988 und 1992 Demonstrationswettbewerb, bevor er Aufnahme ins offizielle olympische Programm fand.

Entscheidungen: Je eine bei Frauen und Männern.

Sportstätte: Vancouver Olympic Centre (5600 Zuschauer).

Favoriten: Bei Männern und Frauen stehen auf den meisten Tippzetteln die Gastgeber ganz oben. oh

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