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Gleichberechtigung im Skispringen: Vier Schanzen für die Frauen

Für die Skispringerinnen wird der Traum von der Tournee endlich wahr

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
Späte Landung: Verlängert Katharina Schmid ihre Karriere für die Vierschanzentournee?
Späte Landung: Verlängert Katharina Schmid ihre Karriere für die Vierschanzentournee?

Deutschlands Skispringerinnen erhielten die gute Nachricht im Trainingslager in Lillehammer: Die Frauen sollen in der nacholympischen Saison 2026/2027 endlich ihre Premiere bei der Vierschanzentournee feiern. Die Männer springen schon seit 1953 in Oberstdorf, Garmisch-Partenkirchen, Innsbruck und Bischofshofen von den Schanzen. Für Rekordweltmeisterin Katharina Schmid fühlt sich das wie ein finaler Sieg im Kampf um Gleichberechtigung an, den sie unter ihrem Mädchennamen Althaus vor über einem Jahrzehnt begonnen hat. »Dafür haben wir uns sehr lange eingesetzt – schön, wenn das so kommt. Ich glaub’s tatsächlich aber erst, wenn es so weit ist«, sagte Schmid.

Letzte Zweifel hat auch Horst Hüttel. »Wir haben mit Freude vernommen, dass nun das Flutlicht an der Bergiselschanze in Innsbruck gesichert ist. So stoßen zu Oberstdorf und Partenkirchen in Deutschland, die schon mehrmals Frauen-Wettkämpfe ausgetragen haben, mit Innsbruck und Bischofshofen zwei Traditionsorte in Österreich hinzu«, sagte der Sportdirektor des Deutschen Skiverbandes (DSV) auf nd-Anfrage am Dienstag. »Wir hoffen sehr, dass damit der Vierschanzentournee der Frauen in der gleichen Reihenfolge wie bei den Männern nichts mehr im Wege steht.«

Alle wollen

Nach all den Irrungen und Wirrungen der vergangenen Jahre will Hüttel noch finale Gespräche der vier Tourneeorte und beider nationaler Verbände sowie eine »offizielle Bestätigung der Fis« abwarten. Beim Weltverband rennen die Tournee-Veranstalter jedenfalls offene Türen ein. »Es hängt nur noch am Flutlicht in Innsbruck. Ansonsten wollen alle«, hatte der Fis-Skisprungchef Sandro Pertile bereits beim Forum Nordicum im Oktober erklärt.

Den Durchbruch hatte die Einigung über die Finanzierung des nach ersten Planungen 4,5 Millionen Euro teuren Flutlichts in Innsbruck zwischen dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) und dem Land Tirol gebracht. Damit gäbe es dann an allen vier Tourneeorten künstliches Licht – und damit die Möglichkeit, zum 75. Jubiläum des größten jährlichen Wintersportereignisses der Welt endlich erstmals auch die Frauen springen zu lassen.

Diskutiert wird das schon seit vielen Jahren. »Wenn die vier Veranstalter der Tournee sich zusammenfinden und eine Initiative starten, sind wir offen«, sagte beispielsweise der damalige Fis-Skisprungchef Walter Hofer schon 2018. Doch ÖSV und DSV konnten sich lange nicht einigen. Zuerst startete der ÖSV ein Solo-Projekt in der für Fans und Fernsehen spannenden Zeit um den Jahreswechsel. Als Preis für die Gesamtsiegerin gab es eine Eule – was im Vergleich zum Adler für den Tourneesieger der Männer jede Menge Spott brachte. »Das war ja schon von der Körperform eine Beleidigung für die Frauen«, schimpfte Skisprung-Legende Sven Hannawald.

Immenser Invest

Dann initiierte der DSV seine »Two-Nights-Tour«. In diesem Winter wird es sie mit den Springen am 31. Dezember in Garmisch-Partenkirchen und tags darauf in Oberstdorf letztmals geben – wieder in umgekehrter Reihenfolge wie bei der Vierschanzentournee der Männer. »Wir verlieren signifikant Geld mit dem Frauen-Skisprung-Event zum Jahreswechsel, der Invest in den vergangenen Jahren war immens«, erklärte DSV-Geschäftsführer Stefan Schwarzbach im Oktober. Das war eine Art Ultimatum, unter dem Motto: die Vierschanzentournee für die Frauen – jetzt oder nie, richtig oder gar nicht. Schließlich geht es dabei auch um das Thema Gleichberechtigung. Beim Tournee-Ersatzevent in Garmisch-Partenkirchen hatte es im vergangenen Winter heftige Kritik der Skispringerinnen gegeben: Für einen Sieg in der Qualifikation gab es Duschgel, Shampoo und Handtücher – im Gegensatz dazu 3000 Schweizer Franken bei den Männern.

Andererseits verloren sich bei den beiden Frauen-Springen in den deutschen Tourneeorten nur rund 3000 Fans in den riesigen Arenen. Zum Vergleich: Selbst bei der Qualifikation der Männer in Oberstdorf waren es 16 500 Zuschauer. Ob sich das Interesse künftig ändert und die Frauen genau wie die Männer 100 000 Schweizer Franken für den Gesamtsieg erhalten? Fest steht jetzt wohl: Ab Dezember 2026 sollen an den Qualifikationstagen der Männer die Frauen ihre Vierschanzentournee-Siegerin ermitteln. Vielleicht bringt das Katharina Schmid sogar dazu, ihre Rücktrittsgedanken doch noch über den olympischen Winter hinaus ruhen zu lassen.

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