Der Feuille-Ton ... der Anderen

  • Lesedauer: 2 Min.
Plattes Plagiat oder kunstvolle Komposition? Der Fall Helene Hegemann (die jugendliche Autorin hat Passagen ihres Bestsellers »Axolotl Roadkill« u.a. bei einem Blogger namens Airen kopiert) beschäftigt die Feuilletons.

Peter Michalzik beantwortet in der »Frankfurter Rundschau« die Frage, ob das Bekanntwerden von Hegemanns Copy-Paste-Technik etwas am positiven Urteil über ihr Buch ändert, mit Nein. Dennoch prognostiziert er abflauendes Käuferinteresse. Bei seiner Zunft, den Rezensenten, diagnostiziert Michalzik einen Entzauberungseffekt:

Auch für die Kritik, wir geben es gerne zu, liegt etwas Peinliches in dem Vorgang. Wer ehrlich ist, wird das Gefühl, jemandem auf den Leim gegangen zu sein, nicht verleugnen wollen.

*

In der »Süddeutschen Zeitung« erkennt Willi Winkler in der gnadenlosen Vermarktung minderjähriger Autorinnen Parallelen zum Kindesmissbrauch und ärgert sich über die Geilheit älterer Literaturkritiker. Zum Casus Hegemann:

Na gut, was soll man sagen, das Mädchen ist erst siebzehn, sie kann es nicht besser.

*

Einen unreifen Eindruck hinterlässt die Autorin selbst allerdings weder in ihrem Buch, noch im Interview mit der »Welt«:

Die Quellenangabe ist für mich ein ästhetisches Problem, wobei ich aber aus ethischen Gründen glaube, dass sie trotzdem richtig ist – das versäumt zu haben, hat also mit reiner Nachlässigkeit und Gedankenlosigkeit zu tun und mit uneingestandenem Narzissmus.

*

Joachim Güntner bestätigt in der »Neuen Zürcher Zeitung« Hegemanns Selbsturteil:

Eklektizismus ist fruchtbar, das lernt man an der Volksbühne, und zum Remixen gibt die Internetgemeinde ihren Segen. Mit der These, dass wir immer schon in Zitaten reden, wenn wir den Mund aufmachen, operiert die ganze postmoderne Intertextualitäts-Theorie. Nur dass deren Vordenker im Rauschen der Texte auch den Autor untergehen sahen. So viel Selbstdemontage hat Hegemanns Ego nicht zu bieten. Ihr Lieblingswort bleibt »ich«.

*

Andreas Kilb von der »FAZ« hat sich die Mühe gemacht, Airens Buch »Strobo« zu lesen, aus dem Hegemann sich bediente. Fazit:

Sie zitiert ihn, und er zitiert Benn, Burroughs und Jünger, ebenfalls ohne Fußnote. Dennoch hat Hegemann vor Airen einen entscheidenden Vorsprung. Keinen altersmäßigen, sondern einen literarischen. »Strobo« ist eine gleichmäßig dahinfließende Litanei, deren Grellheiten auf die Dauer etwas Lähmendes haben. »Axolotl Roadkill« dagegen erzählt eine Geschichte.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal