Die Maske verdeckte manch Peinlichkeit

Ein Atelier in Venedig vermietet Kostüme aus großen Filmproduktionen für den Karneval

  • Sandra Rauch
  • Lesedauer: 3 Min.
Stefano Nicolao zeigt eine klassische venezianische Maske.
Stefano Nicolao zeigt eine klassische venezianische Maske.

Schnabelschuhe und Dreispitzhüte stapeln sich in den Regalen vom Atelier Nicolao in Venedigs Stadtteil Cannaregio. Auf mehreren Dutzend Metern Kleiderstangen hängen pastellfarbene Schleppröcke, steife Korsagen, seidene Umhänge. Hier ein Mantel aus der Oper »Cosi fan tutte«, dort ein Oberhemd aus Hollywoods »Kaufmann von Venedig«. Stefano Nicolao macht Kostüme. Für berühmte Filmproduktionen, für das Theater und, natürlich, als Mietkostüme für den Karneval. Gut 10 000 Kostüme hängen in der Kleiderkammer des Ateliers, unterteilt in die unterschiedlichen Epochen: Ein Schildchen mit der Aufschrift »Donne 700« klebt vor den Ballkleidern im Stil des 18. Jahrhunderts, »Soldati« verweist auf maßgeschneiderte Offiziersröcke.

150 bis 250 Euro kostet ein Leihkostüm aus dem Fundus, welche Größe passt, sieht Stefano Nicolao auf einen Blick. »Kurz die Luft anhalten, das muss eng sitzen«, sagt er und schließt mit sanfter Gewalt eine enge Korsage.

An einer Schneiderpuppe führt Nicolao die klassische Maskerade vor, so wie sie im 18. Jahrhundert, zur Blütezeit des venezianischen Karnevals, üblich war und auch heute noch getragen wird: Den Körper verhüllt ein knöchellanger, schwarzer Mantel, der Tabarro. Ein kapuzenartiger Überwurf verdeckt Haare, Hals und Schultern. Auf den Kopf kommt der Dreispitz und vor das Gesicht die Larva, die Maske, die es traditionell nur in weiß oder schwarz gab.

»Damals war eigentlich das ganze Jahr Fasching«, sagt Nicolao. Der Karneval im 18. Jahrhundert begann am 26. Dezember und legte nur während der Fastenzeit eine kleine Pause ein. Mit der Maske waren alle gleich und zugleich verbarg sie manch unangenehme Realität: Durch neue Handelsrouten hatte Venedig an Macht verloren, viele vormals reiche Familien hatten Geldprobleme. »Unter der Maske wusste niemand, wer sie waren«, sagt Nicolao, »so konnten sie noch am Glückspiel teilnehmen, obwohl sie bereits hoch verschuldet waren.«

Menschen zu verkleiden, in andere Identitäten schlüpfen zu lassen, ist Alltag für Nicolao. Der gebürtige Venezianer lebt das Theater: Begonnen hat er als Schauspieler, doch schon bald »wurde die Liebe zu dem, was hinter den Kulissen war, immer größer«. So wurde er Bühnenbildner und schließlich Kostümschneider, mit Lieblingsthema Renaissance. Akribisch detailgetreu sind seine Kostüme, in Bibliotheken hat er das Leben der verschiedenen Epochen studiert. »Ich habe die Modelle von Anfang an nicht nach der Fantasie, sondern nach historischen Vorbildern gemacht«, sagt Nicolao. Grobe Patzer, wie den römischen Imperator in einem Umhang aus Samt, einem erst seit dem Mittelalter produzierten Material – für ihn undenkbar. Trotzdem gibt es Unterschiede. »Für die Nahaufnahme des Kinos muss man sehr viel detaillierter arbeiten als für das Theater«, erklärt Nicolao. Dann schaut er kurz durch den Raum, dreht sich zu einem Kleid und nimmt den Saum zwischen die Fingerspitzen: »Aus dem letzten Casanova-Film«. Jedes Kostüm auf den langen Kleiderstangen hat seine Geschichte, wer es ausleiht, wird Teil von ihr.

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  • Infos: Touristeninformation Venedig, Tel.: (0039) 41/529 87 11, (auch deutsch), www.turismovenezia.it (englisch)
  • Infos zum Karneval 2010 in Venedig (noch bis 16.2.) unter www.carnevale.venezia.it
  • Kostüme: Nicolao Atelier, Cannaregio 2590, 30121 Venezia, Tel.: (0039) 41/520 70 51, www.nicolao.com

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