Teheraner Autismus

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 2 Min.

Man kann es nur immer wiederholen: Auch die jüngste iranische Prahlerei in Sachen Urananreicherung im eigenen Land, das scheinbar lockere Nachdenken über eine Atombombe bedeuten keine Verletzung internationaler Vereinbarungen zur Atomnutzung, solange die entsprechende Behörde Kontrollen ausüben kann. Das Lamento Guido Westerwelles und anderer im Westen, die wie er gestern ihre »ernsthafte Sorge« über Irans Bau an der Bombe mitteilten, bleibt somit unehrlich. Ihr Interesse, Iran auf der Liste der Schurkenstaaten zu fixieren – warum auch immer –, ist unübersehbar.

Allerdings wissen sie dabei einen Komplizen auf ihrer Seite, mit dem sie kaum rechnen konnten, der ihnen aber doch täglich die Propaganda befeuert. Dieser Mann heißt Mahmud Ahmadinedschad und ist iranischer Präsident. In der Atomfrage als Staatsrepräsentant grundsätzlich im Recht zu sein und dennoch keine Gelegenheit auszulassen, die Legitimität des eigenen Handelns durch provozierend undiplomatisches und unkooperatives Gebaren in Zweifel zu ziehen – dies beherrscht er wie kein Zweiter auf der Weltbühne.

Als Bewunderer dieser politischen Disziplin gibt sich allerdings kaum jemand zu erkennen. Schon gar keiner unter den Gleichrangigen in Mittelost. Aber da hatte Ahmadinedschad noch nie Verbündete. Dafür besitzt er Freunde in entfernteren Regionen, die sich – wie Chavez in Venezuela – in der Vergangenheit dem Iraner demonstrativ zugetan zeigten. Doch auch sie halten sich bislang mit Solidaritätsbezeigungen zurück. Sie erwarten wohl weniger Autismus und ein Mindestmaß an Politikfähigkeit.

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