Marco Rubio in Israel: Diplomatie an der Jerusalemer Klagemauer

Ein Kommentar zum Besuch von US-Außenminister Marco Rubio in Israel

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 3 Min.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (von links nach rechts), US-Außenminister Marco Rubio und der US-Botschafter in Israel Mike Huckabee besuchen gemeinsam die Klagemauer, die heiligste Gebetsstätte des Judentums, in der Altstadt von Jerusalem.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu (von links nach rechts), US-Außenminister Marco Rubio und der US-Botschafter in Israel Mike Huckabee besuchen gemeinsam die Klagemauer, die heiligste Gebetsstätte des Judentums, in der Altstadt von Jerusalem.

Donald Trump schickt seinen Außenminister, den konservativen Marco Rubio, nach Israel – um eine diplomatische Lösung für den Gaza-Krieg zu finden, sollte man meinen. Doch der Katholik Rubio geht erst mal mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu zur Klagemauer und steckt einen Zettel hinein. Ob er sich den Frieden herbeigewünscht hat? Man wird es nie erfahren, aber es ist nicht zu erwarten, dass er Netanjahu von seinem Vernichtungsfeldzug im Gazastreifen, der der Auslöschung jeder Lebensgrundlage dient, wird abbringen können. Und ob er und die US-Regierung das überhaupt wollen, ist mehr als fraglich.

Die wiederholte Warnung der US-Regierung an all jene Staaten, die bei der UN-Vollversammlung in diesen Tagen formell die Anerkennung eines eigenständigen Staates Palästina erklären wollen – darunter Frankreich, Kanada und Belgien – lässt darauf schließen, dass man in Washington grundsätzlich die Positionen der von Netanjahu geführten Regierung unterstützt. Sicher, US-Präsident Donald Trump war nicht eben begeistert von den israelischen Luftangriffen auf das Emirat Katar, das immerhin die größte US-amerikanische Militärbasis in der Region beheimatet. Aber dass es die Hamas getroffen hat, fand er dann schon gut. Kurz gesagt, aus der Sicht Washingtons hat Netanjahu mit seinem Befehl zum Angriff auf die katarische Hauptstadt Doha zwar etwas diplomatisches Geschirr zerbrochen, aber alles halb so schlimm.

Schon am Freitag waren sich die beiden engen Verbündeten USA und Israel wieder ganz einig, als sie in der UN-Vollversammlung gegen eine maßgeblich von Frankreich und Saudi-Arabien ausgearbeitete Erklärung stimmten. Darin wird zwar der Hamas ausdrücklich jede führende politische Rolle für die Zukunft des Gazastreifens abgesprochen – was Washington und Tel Aviv immer verlangt hatten –, aber das reichte offenbar nicht. Stein des Anstoßes bleibt die Anerkennung eines Staates Palästina, für den die zur Abstimmung gestellte Erklärung einen Weg aufzeichnen soll, den die USA und Israel nicht mitzugehen gedenken.

Die israelische Regierung akzeptiert keinen palästinensischen Staat, unter keinen Umständen, sondern will die Annexion des besetzten Westjordanlands und des Gazastreifens durch den eigenen Staat, der dann vom Jordan-Fluss bis zum Mittelmeer reichen würde. Das dürfte inzwischen allen klar sein. In Washington nimmt man das hin und unterstützt dieses Ziel sogar. Die Logik der US-Regierung funktioniert in dieser Frage so: Wenn weitere, vor allem einflussreiche Länder einen Staat Palästina anerkennen, sei dies eine Einladung an die israelische Regierung zur Annexion des Westjordanlands, ja fast eine logische Konsequenz, der man dann nichts mehr entgegensetzen könne.

Auf US-Regierungen zu setzen und zu hoffen, dass diese Druck ausüben auf Israel, damit ein palästinensischer Staat entstehen kann, ist so realitätsfern unter der Trump-Regierung wie es auch unter den Präsidentschaften Bidens und Obamas war. Die Bindung der beiden Länder aneinander wiegt weitaus schwerer als die Bedenken über mögliche diplomatische Spannungen, selbst wenn es sich um arabische Alliierte handelt. Israel fungiert als wertvoller US-Vorposten im Nahen Osten, den die USA nicht so schnell aufgeben werden. Selbst wenn die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) im Falle einer Annexion des Westjordanlands durch Israel vom Übertritt einer »roten Linie« sprechen und das sogenannte Abraham-Abkommen dann ernsthaft zur Disposition stellen wollen, bleiben die Einflussmöglichkeiten der arabischen Länder in der Region doch sehr begrenzt. Daran wird auch der von Katar einberufene gemeinsame Sondergipfel von Arabischer Liga und der Organisation für islamische Zusammenarbeit in Doha kaum etwas ändern.

Gerade die Emirate am Persischen Golf setzen auf die militärische Unterstützung durch die USA, wobei Washington mit einem Hinweis auf den potenziell bedrohlichen Iran einen Trumpf in der Hand hält. Und dass Ägypten oder Jordanien die mit Israel geschlossenen Friedensverträge durch eine direkte Konfrontation aufs Spiel zu setzen bereit sind, ist auch nicht zu erwarten. Eher noch stürzen dann die dortigen Regierungen unter Massenprotesten der aufgebrachten Bevölkerung, und das Chaos wäre perfekt.

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