»Zeit für Grausamkeiten«

Wirtschaft will Krise durch stärkeren Export überwinden

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 3 Min.
In der Krise setzen Regierung und Wirtschaftsverbände weiter auf eine Stärkung der Exporte. Kritiker halten dagegen die stark ausfuhrorientierte Wirtschaftspolitik Deutschlands selbst für einen Teil des Problems, der also nicht bei der Lösung helfen könne.

Der Außenhandel hat die Krise bereits für beendet erklärt: So wurden im Dezember erstmals seit Oktober 2008 wieder mehr Waren ausgeführt als im Vorjahr. »Wir sind für die Geschäftsentwicklung zuversichtlich«, erklärte Hans Fabian in Hamburg, »und halten die Krise für überwunden.« Trotzdem vergibt der Präsident des Unternehmensverbandes AGA schlechte Noten für die aktuelle Bundesregierung. Man könne noch keine Strategie erkennen. Dabei ist für Kruse klar: »2010 ist die Zeit für Grausamkeiten.«

Was der Präsident des Groß- und Außenhandelsverbandes damit meint, ist der Abbau von »Subventionen« für den Wohlfahrtsstaat, staatliche Investitionen wie die umstrittene Elbvertiefung für die Wirtschaft und sinkende Lohnkosten für die Firmen. Kruse mag eine der aggressivsten Stimmen im Unternehmerlager sein, doch mittlerweile melden sich auch wirtschaftsliberale Ökonomen wieder vernehmlicher zu Wort.

»Die Debatte in Deutschland ist noch immer durch die Forderung nach weiterer Lohnzurückhaltung und sozialpolitischen Einschnitten gekennzeichnet«, analysiert Kristin Biesenbender. Sie leitet die renommierte Fachzeitschrift für Wirtschaftspolitik »Wirtschaftsdienst«. Seit Jahren wird von vielen Ökonomen und Regierungsberatern gefordert, dass der Anteil der Löhne am Volkseinkommen zurückgehen solle – für eine noch stärkere internationale Wettbewerbsfähigkeit, für noch mehr Exporte. So plädieren die sogenannten Wirtschaftsweisen Christoph M. Schmidt und Wolfgang Franz sowie der Lautsprecher des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, in diesen Tagen wieder für eine stärkere Lohnzurückhaltung zugunsten des Exports. Der steht in Deutschland für ein Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung. Einen ähnlich hohen Exportanteil gibt es nur noch in Japan und einigen kleineren Ländern wie den Niederlanden.

Durch die aggressive Exportorientierung schlitterte Deutschland in einen Teufelskreis aus zunehmender Einkommenskonzentration, die zu steigender Sparquote und schwächelnder Konsumnachfrage führte. Im Ergebnis ist die Binnennachfrage seit zwei Dekaden zu gering, Unternehmen suchen ihr Heil im Export. Deutschland habe sich durch die »verletzungsbedingt« schwache Binnennachfrage auf den Export ausgerichtet und sich damit gleichzeitig von Ausfuhrmöglichkeiten in Defizitländer wie den USA abhängig gemacht, kritisiert Gustav Horn, Leiter des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung (IMK). »Diese Konstellation konnte jedoch nicht nachhaltig sein.«

Die extreme Exportorientierung der einen und die Importorientierung auf Pump der anderen haben zur aktuellen Krise beigetragen. »Eine zentrale Herausforderung für die Stabilität der Weltwirtschaft ist der Abbau der globalen Ungleichgewichte im Außenhandel«, meinen Horn und sein Kollege Simon Sturn vom IMK. Der Abbau der Ungleichgewichte könne nur gelingen, wenn exportorientierte Länder wie Deutschland durch eine Kräftigung der eigenen Binnennachfrage dazu beitragen, die Außenhandelsdefizite insbesondere in den USA abzubauen.

Die Bundesregierung will dagegen den Export weiter ankurbeln. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) ist optimistisch, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um 1,4 Prozent wachsen kann. Vor allem der Export solle davon profitieren. Der Wert der Ausfuhren werde dieses Jahr um fünf Prozent steigen, hofft Brüderle. Mit politischen »Grausamkeiten« ist also zu rechnen.

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