Nordamerika feiert am Cypress Mountain

Grandiose Stimmung beim Snowboardcross: Seth Wescott (USA) siegt am Ende vor Mike Roberston (Kanada)

  • Oliver Händler, Vancouver
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Auffahrt zum Cypress Mountain ist Pflicht, um zu sehen, wie groß Vancouver wirklich ist – und wie groß die Begeisterung der Kanadier für diese Spiele sein kann. Bestes Beispiel: der Snowboardcross am Montag. Über 4000 kreischende Menschen jeden Alters säumen Ahornblattfahnen-schwingend die Stahlgerüsttribüne auf dem größten Skigebiet der Stadt. Sie wurden mit Silber für einen der ihren belohnt.

In das rot-weiß-rot mischte sich noch ein bisschen blau, denn Cypress ist der erste Schauplatz des Duells USA - Kanada, dem der Showdown im Eishockeyfinale am Ende der Spiele die Krone aufsetzen soll. Die Snowboardcross-Entscheidung ging schon mal an die US-Amerikaner. Seth Wescott siegte vor dem Kanadier Mike Robertson nach einem Nachmittag, der an Spannung kaum zu überbieten war. Nach drei Rennen auf der Piste von Cypress, zweimal Freestyle, einmal Snowboard, steht es nach Goldmedaillen 2:1 für die USA.

Die »Niederlage« gegen den Erzrivalen tat der tollen Stimmung auf den Rängen jedoch keinen Abbruch. Brüllendes Raunen begleitete jeden Lauf, wann immer sich die Fahrer gefährlich nahe kamen, jemand stürzte oder ein Überholmanöver anstand. Und von davon gab es auf der engen Strecke viele. Selten gewann der Läufer, der nach dem Start zunächst ganz vorn war.

Seth Wescott lag nach drei Kurven im Finale als Letzter noch auf Rang vier, bevor er einen Gegner nach dem anderen überholte, den Kanadier in der letzten Kurve. »Mike war schon beim Weltcup vor einem Jahr hier sehr stark. Ich wusste, das Finale wird ein harter Kampf«, so Wescott, der erst auf der Ziellinie sicher sein konnte, Robertson hinter sich zu haben.

»Die Leit hia sind da Woansinn«, sagte der Österreicher Mario Fuchs, der nach einem Fahrfehler in Führung liegend im Halbfinale ausschied. »Viel besser als 2006 in Turin«, stimmte ihm Robert Fagan zu. »Da war ja kaum was los. Olympia zu Hause vor dieser Kulisse ist einfach das Größte«, ergänzte der Kanadier. »Hier sehen alle, wie geil Boardercross ist«, meinte der Oberstdorfer David Speiser.

Der Deutsche hatte selbst eine gute Außenseiterrolle spielen können. Nur 26. in der Qualifikation arbeitete er sich Lauf für Lauf bis ins Halbfinale vor. Jedes Mal war er dabei mit Kanadiern in einem Rennen. Nach zwei Stürzen im Halbfinale war dann Schluss für den 29-Jährigen. »Ich bin trotzdem zufrieden mit Platz acht«, sagte Speiser. »Ich bin einmal zu weit gesprungen und musste mich um ein Tor rummogeln. Das hat zu viel Zeit gekostet.«

Die beiden Besten des Tages wollten am Ende gar nichts mehr vom Länderkampf wissen, schließlich hatten beide eine Medaille gewonnen, und die Snowboarder sind eine große Familie. »Es gibt keine so große Rivalität zwischen uns. Das macht hier alles einfach nur unglaublich viel Spaß«, stellte Robertson klar. »Wir trinken jetzt bestimmt noch ein paar Bier zusammen«, fuhr er fort, und Wescott nickte.

Eigentlich war Cypress Mountain wegen des akuten Schneemangels, der auf den braunen Nebenhängen noch immer sichtbar ist, vor den Spielen das Sorgenkind der Organisatoren. Doch das Skigebiet mausert sich langsam zum Lieblingskind der Spiele. Denn wenn diese Spiele für ihre ausgelassene Stimmung in die Geschichte eingehen wollen, hat diese Geschichte am Cypress Mountain angefangen.

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