Alles wie gehabt

Shani Davis wiederholt Olympiasieg und startet wieder nicht im USA-Teamrennen

  • Oliver Händler, Richmond
  • Lesedauer: 4 Min.

»Alles kalter Kaffee, alles hinter uns«, sagt US-Eisschnellläufer Chad Hedrick. »Shani und ich respektieren uns. Wir haben beide das gleiche Ziel und setzen das nicht mehr für dumme Kleinigkeiten aufs Spiel.« Shani Davis ist der alte und neue Olympiasieger über 1000 Meter und Teamkollege von Hedrick. Doch von Team kann kaum die Rede sein. Shani Davis hat eine lange Geschichte als Einzelgänger in der US-Mannschaft, die er im Richmond Olympic Oval fortsetzt. Da er aber verlässlich Gold sammelt, kann ihm die Mannschaft nicht mehr böse sein.

Die Geschichte begann vor acht Jahren, als er noch als Shorttracker unterwegs war. Im letzten Ausscheidungsrennen qualifizierte er sich noch knapp für die Olympischen Spiele von Salt Lake City 2002 – nur mit der Hilfe seines Freundes Apolo Anton Ohno, wurde Davis vorgeworfen, da ihm der damalige Überflieger Ohno den Vortritt ließ. Davis kam zur Eröffnungsfeier nach Utah, reiste aber schnell wieder ab. Er war nur als Ersatzmann vorgesehen, und das reichte ihm nicht.

2006 in Turin holte Davis Eisschnelllauf-Gold über 1000 Meter und Silber über 1500 Meter. Hedrick schaffte sogar den kompletten Medaillensatz. Eigentlich viel Grund zur Freude im US-amerikanischen Team, doch die Schlagzeilen machte ein Streit um die Weigerung Davis, am neu eingeführten Teamwettbewerb teilzunehmen.

»Der Sieg hier in Vancouver fühlt sich anders an als der in Turin, weil ihn mir die meisten Leute nun gönnen. 2006 wollten viele, dass ich verliere«, erinnert sich Davis. »Ich verstehe ihn nicht«, hatte Hedrick damals gesagt. »Mit ihm im Team schlägt uns doch keiner.« Ohne Davis wurden Hedrick und Co. 2006 nur Sechste. Der Gescholtene wehrte sich gegen die Kritik. Er habe ohnehin nie mit der amerikanischen Mannschaft trainiert und wollte jungen Athleten jene Chance geben, die man ihm 2002 verwehrt hatte.

Auch 2010 wird Davis nicht im Teamrennen starten, doch die Begründung von damals zählt nicht mehr, denn Davis hat sich einen neuen Fauxpas geleistet, und diesmal traf es ausgerechnet einen jungen Sportler. Nach dem ersten Lauf über 500 Meter in Vancouver trat Davis nicht mehr zum zweiten an, um sich für die nachfolgenden Rennen zu schonen. Der 21-jährige Nachrücker Brent Aussprung fand das gar nicht toll. Er wäre gern gestartet, saß aber bereits im Flugzeug nach Holland. »Ich habe mir diesen Platz erkämpft«, erklärt Davis gegenüber ND. »Ich kann damit machen, was ich will. Ich habe mich eingelaufen über die 500 Meter. Die Kraft, die ich dann gespart habe, hat mir nun Gold über 1000 Meter gebracht.«

In der Tat bestach Shani Davis mit der schnellsten Schlussrunde aller Teilnehmer auf der 1000-Meter-Strecke. »Dabei war er als Letzter dran, als das Eis immer schlechter wurde«, sagt der Berliner Samuel Schwarz, als 16. bester Deutscher. »Deshalb hat er auch nur so knapp gewonnen und nicht wie sonst in dieser Saison mit über einer halben Sekunde Vorsprung«, meint Schwarz.

Davis dominiert die Mittelstrecken derzeit fast nach Belieben. Über 1000 Meter hat er in dieser Saison noch kein Rennen verloren, und auch über die 1500 Meter am Sonnabend ist er Favorit auf den Olympiasieg. Klar, dass US-Coach Ryan Shimabukuro Davis auch gern im Teamwettbewerb haben will, doch er hat sich mit der Situation abgefunden. »Shani ist ein sehr intelligenter Läufer. Er weiß immer genau, was er will und braucht, um seine Ziele zu verwirklichen«, sagt Shimabukuro.

So lange Shani Davis Olympiasiege sammelt, kann ihm niemand etwas anhaben. Und Chad Hedrick versucht, ein Mannschaftsgefühl zu formen, wo eigentlich keins ist. »Wir sind beide stolz, Amerikaner zu sein. Und die Amerikaner sollten froh sein, dass sie mit uns zwei Leute haben, die den Medaillenspiegel für die USA auffüllen. Dafür sind wir hier«, sagt Hedrick. Shani Davis steht daneben und nickt.

Bei so viel Edelmetall, wie die USA allein am fünften Wettkampftag der Spiele gesammelt haben, ist eine Teammedaille wohl verzichtbar. Doch ganz ausgeschlossen ist sie auch ohne den Einzelgänger Shani Davis nicht.

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