Bundesarbeitsgericht: Bei Kündigungsschutzklage keine Abfindung

Rechtsprechung

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Die Arbeitgeberin hatte Herrn R. aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Mit dem Kündigungsschreiben erhielt er das Angebot einer Abfindung für den Fall, dass er keine Kündigungsschutzklage erheben würde. Eine Kündigungsschutzklage ist innerhalb von drei Wochen nach Zugang der Kündigung einzureichen.

R. erhob sie erst fünf Wochen später, behauptete aber, seine Klage sei noch fristgerecht: Die Post habe das Kündigungsschreiben viel später zugestellt, als die Arbeitgeberin behauptete. Eine Abfindung lehnte er ab. Wieder ein paar Wochen später zog der Mann seine Klage zurück und forderte eine Abfindung. Die stehe ihm zu, weil die Kündigungsschutzklage sowieso zu spät erhoben wurde.

Fristgerecht oder zu spät – das spiele hier keine Rolle, urteilte das Bundesarbeitsgericht (Az: 2 AZR 267/08). Zweck der Regelung sei es, gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen den Parteien des Arbeitsvertrags zu vermeiden. Wer einen Rechtsstreit beginne, solle daher seinen Anspruch auf eine Abfindung verlieren – das gelte auch für eine nach Ablauf der Klagefrist eingereichte Klage. Werde die Klage zurückgenommen, ändere das ebenfalls nichts. Auch das liefe dem Sinn der Regelung zuwider. Denn dann könnten Arbeitnehmer erst einmal klagen und in Ruhe abwarten, wie der Kündigungsschutzprozess verlaufe. Sobald sich eine Niederlage abzeichne, könnten sie die Klage zurückziehen, um so wenigstens in den Genuss der Abfindung zu kommen.

Schichtarbeit: Keine Schichtzulage während des Urlaubs

Ein Arbeitnehmer hat während seines Urlaubs keinen Anspruch auf Weiterzahlung einer Schichtzulage. Das geht aus einem kürzlich veröffentlichten Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Rheinland-Pfalz in Mainz hervor. Voraussetzung für die Zulage sei, dass der Mitarbeiter während der fraglichen Zeit tatsächlich im Schichtdienst arbeite (Urteil vom 13.11.2009 6 Sa 475/09).

Das Gericht wies mit seinem Urteil die Klage eines Arbeitnehmers auf Zahlung einer Schichtzulage ab. Nach dem für den Kläger geltenden Tarifvertrag stand ihm eine monatliche Schichtzulage in Höhe von 40 Euro zu. Als er einen Monat Urlaub machte, stellte der Arbeitgeber für diesen Zeitraum die Zahlung ein. Das LAG sah dies als rechtmäßig an. Die Schichtzulage sei eine Entschädigung für Störungen im Lebensrhythmus eines Arbeitnehmers, wie sie zwangsläufig mit der Schichtarbeit verbunden seien. Während des Urlaubs bestehe diese besondere Belastungssituation jedoch nicht, so dass für eine Weiterzahlung keine Veranlassung bestehe, so die Richter.

Entlohnung: 1,32 Euro Stundenlohn ist sittenwidrig

Der Stundenlohn von 1,32 Euro hätte gerade für eine Tiefkühlpizza aus dem Discounter gereicht: Wegen Zahlung von sittenwidrigen Dumping-Löhnen hat das Arbeitsgericht Stralsund kürzlich einen ehemaligen Besitzer einer Pizzeria verurteilt. Der Mann muss der Behörde zur Betreuung von Langzeitarbeitslosen (Arge) rund 6600 Euro erstatten, weil er einer Kellnerin, zwei Küchenhelfern und zwei Pizzaboten Stundenlöhne von minimal 1,32 Euro zahlte. Damit gab das Gericht einer Klage der Arge zum Teil statt.

Die Behörde wollte ursprünglich 11 000 Euro von dem früheren Pizzeria-Inhaber einklagen, weil sie den Beschäftigten wegen der niedrigen Löhne zwischen 2007 und 2009 diesen Betrag als Aufstockleistungen zahlen musste.

Als bundesweit erste Arge war die Stralsunder Behörde im Februar 2009 vor ein Arbeitsgericht gezogen, um mit dem Argument der Sittenwidrigkeit Lohnnachforderungen einzuklagen. Für den Chef der Stralsunder Arge, Peter Hüfken, sind Dumping-Löhne wie in jener Pizzeria kein Einzelfall. Neben der Gastronomie gelten das Dienstleistungsgewerbe, aber auch soziale Träger als Schwerpunktbranchen, in denen Arbeitgeber Hartz-IV-Empfänger immer wieder mit Niedriglöhnen abspeisten. Drei Verfahren mit fünf Arbeitnehmern wurden inzwischen entschieden – zugunsten der Arge. 15 Klagen gegen sechs Arbeitgeber über 44 000 Euro seien noch anhängig.

Der Arbeitsrichter verwies in seiner Urteilsbegründung auf das Bundesarbeitsgericht. Das Gericht hatte im April 2009 in einem Urteil Richtlinien für die Sittenwidrigkeit vorgegeben. Danach sind Löhne sittenwidrig, wenn diese nicht zwei Drittel des in der betreffenden Branche gezahlten Tariflohnes oder des ortsüblichen Lohnes erreichen. In Mecklenburg-Vorpommern liegt der Tariflohn einer Kellnerin bei 7,08 Euro pro Stunde, der einer Küchenhilfe bei knapp über 5 Euro. Zudem verwies der Richter auf eine »subjektive Seite« der Sittenwidrigkeit, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bestehe.

Dass der Klage nur teilweise stattgegeben wurde, hängt damit zusammen, dass die Stundenlöhne nicht immer unter der zwei Drittel-Grenze lagen. Zum anderen seien nicht alle Ansprüche auf die Arge übergegangen. Das heißt, die Behörde hätte einen bestimmten Teil der von ihr ausgezahlten Sozialleistungen auch erbringen müssen, wenn die Mitarbeiter »nicht sittenwidrig« entlohnt worden wären. Das Urteil – so der Richter – sei eine »Einzelfallentscheidung«.

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