Ettal-Skandal erreicht Sachsen

Mönche des Klosters Wechselburg suspendiert

  • Lesedauer: 2 Min.
Der Verein ehemaliger Heimkinder geht davon aus, dass viel mehr Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen sexuell missbraucht worden sind als bisher vermutet. Inzwischen hat der Missbrauchsskandal im bayerischen Benediktinerkloster Ettal auch in Sachsen zu personellen Konsequenzen geführt.

Rodgau/Wechselburg (dpa/ND). Nach Einschätzung des Vereins ehemaliger Heimkinder sind viel mehr Kinder und Jugendliche in katholischen Einrichtungen sexuell missbraucht worden als bislang angenommen. Rund 70 Prozent der 450 Mitglieder wurden nach Angaben der Vereinsvorsitzenden Monika Tschapek-Güntner in der Kindheit und Jugend in Heimen missbraucht. Tschapek-Güntner bestätigte damit am Dienstag einen Bericht der »Berliner Zeitung«. Der Missbrauch reiche bis zur Vergewaltigung. Der Großteil ihrer Vereinsmitglieder – rund 80 Prozent – sei in katholischen Heimen aufgewachsen.

Seit Bekanntwerden des Missbrauchsskandals an Jesuitenschulen meldeten sich jeden Tag zahlreiche Opfer bei ihr. »Leute rufen an und sagen: Mir ist das auch passiert«, sagte Monika Tschapek-Güntner. »Die Menschen halten es nicht mehr aus und müssen reden.«

Nach dem Missbrauchsskandal am Benediktinerkloster Ettal in Bayern wurden einem Medienbericht zufolge nun auch zwei Mönche des Klosters Wechselburg in Sachsen suspendiert. Zwei Pater seiner Einrichtung seien von ihren seelsorgerischen Aufgaben freigestellt worden, sagte der Verwaltungschef des Klosters, Pater Angelus. Die »Freie Presse« in Chemnitz hatte von der Suspendierung berichtet. Einer der freigestellten Pater sei Sprecher und Finanzverwalter des Klosters gewesen, so das Blatt. Vor seiner Arbeit in Wechselburg habe der 39-Jährige bis zum Jahr 2005 als Erzieher im Ettaler Internat gearbeitet.

Tschapek-Güntner warf der Katholischen Kirche »Falschheit« vor. Zwar wolle die Kirche den Eindruck erwecken, die Missbrauchsfälle aufklären zu wollen, jahrelang habe sie Opfer aber unter Druck gesetzt oder mit Geld zum Schweigen gebracht. »Da wird die Decke der Verschwiegenheit ausgebreitet. Das ist grausam, und das halten wir kaum aus.«

Der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH) mit Sitz im hessischen Rodgau kümmert sich vor allem um Menschen, die als Kinder in Heimen Opfer von Gewalt oder sexuellem Missbrauch geworden sind. Für diese fordert der VEH seit Jahren eine Entschädigung. Die nach Vereinsschätzungen deutschlandweit rund 500 000 Betroffenen sollen eine Entschädigung von jeweils 50 000 Euro erhalten.

Angesichts der Missbrauchsfälle im Benediktinerkloster Ettal und anderen katholischen Einrichtungen hatte der Münchner Erzbischof Reinhard Marx am Sonntag die Kirche zu Umkehr, geistlicher Erneuerung und Aufklärung der Vorfälle aufgerufen.

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