Planvoll verlorene Unschuld
Im Kino: »An Education« von Lone Scherig
Am Anfang stand ein Essay, den eine britische Journalistin in einer Literaturzeitschrift veröffentlichte. Darin erzählte Lynn Barber von ihrer Entjungferung 1961, von der Zeit vor der sexuellen Revolution und davon, welche gesellschaftlichen Labyrinthe ein junges Mädchen aus »gutbürgerlichem« Elternhaus durchlaufen musste, wenn es seinen spätpubertären Entdeckerdrang auch praktisch in die Tat umsetzen wollte.
Aus dem kurzen Artikel wurde ein Drehbuch, geschrieben von Erfolgsautor Nick Hornby, aus dem Drehbuch ein Film, inszeniert von der Dänin Lone Scherfig (»Dänisch für Anfänger«), die anscheinend nicht die erste Wahl war, ihre Sache dann aber sehr gut machte. In der männlichen Hauptrolle, der des deutlich älteren Entjungferers, ist mit Peter Sarsgaard ein immer wieder gern genommener Darsteller unabhängiger US-Produktionen zu sehen. Einer, dessen verschleiertem Blick man jederzeit abnimmt, dass er jungen Mädchen zitternde Knie beibringt. Und in der weiblichen Hauptrolle glänzt eine Nachwuchsschauspielerin, die nun ihren ganz großen Durchbruch erlebt: Carey Mulligan.
Vorstadtmief und die Sogwirkung französischer Chansons, Kultbücher und Zigarettenmarken, ein vorwitziges, dabei durchaus gewitztes, junges Mädchen und ein Verführer, den die zu Verführende sich selbst zum Entjungferer erkor, dazu Eltern, die partout an der Nase herumgeführt werden möchten und ihre Tochter dem zumindest scheinbar integeren Mann von Welt geradezu freiwillig anvertrauen – der Mix ist explosiv.
Dass trotzdem ein Film draus wurde, der das Leben besingt und aus dem selbstbestimmten Sex in jungen Jahren keine Tragödie fürs ganze Leben macht – ebenso wenig wie aus dem Mädchen ein getäuschtes Opfer –, ist das Verdienst aller beteiligten Damen, von der Autorin über die Regisseurin bis zur Darstellerin. Und möglicherweise von Nick Hornby, der auch wieder bewies, was für ein bodenloser Optimist er ist, selbst wo das Leben ihm Beine stellte.
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