Mondleuchten überm Wüstenzelt

Mit der »Türckischen Cammer« ist Dresden zu einem wichtigen Ort für Liebhaber osmanischen Kunsthandwerks geworden

  • Sebastian Hennig, Dresden
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden erweitern ihre Dauerausstellungen um eine exotische Attraktion. Ab Sonntag steht im Residenzschloss die »Türckische Cammer« mit 600 Exponaten aus dem 16. bis frühen 19. Jahrhundert für Besucher offen.

Die Werbung läuft auf Hochtouren: 4 500 000 Dönertüten werden bedruckt mit der Reklame für die »Türckische Cammer« in Dresden. Martin Roth, der Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlung in Dresden, möchte möglichst viele Besucher aus der ganzen Republik in die neu eröffnete Schau ziehen. Mit der »Türckischen Cammer« ist Dresden zu einem wichtigen Ort für den Liebhaber des osmanischen Kunst- und Waffenhandwerks geworden.

Für Sachsens Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Sabine von Schorlemer, ist die Schau ein »Zeichen für die Weltoffenheit Sachsens«. Und sie betont, dass es sich nach Umfang und Qualität um die bedeutendste Sammlung osmanischer Kunst überhaupt handelt. Schorlemer: »Es gibt weltweit kein Pendant in Hinblick auf das was hier gezeigt wird.«

Anfänge im 16. Jahrhundert

Die Eröffnung der 700 Quadratmeter Schaufläche ist zudem ein weiterer wichtiger Schritt zur Einrichtung der Dresdner Museumslandschaft. Die Ausstellung ist Teil der »Rüstkammer«, die insgesamt im rekonstruierten Residenzschloss ihren Platz finden soll.

Die Anfänge der »Türckischen Cammer« gehen zurück ins frühe 16. Jahrhundert. Damit ist sie die älteste noch bestehende unter den zahlreichen und wertvollen Dresdner Sammlungen. Im Schloss wird sie die ästhetische Verbindung schaffen, zwischen der Rüstkammer mit ihren teilweise ungeschlacht martialisch wirkenden Harnischen und dem virtuosen Zierrat des »Grünen Gewölbes«. Entsprechende Ideen gab es bereits 1977, im September 1988 gingen diese in zielgerichtete Planungen über. Sammlungen orientalischer Waffen bestanden im christlichen Europa meist aus Kriegstrophäen. In Dresden ist das anders. Hier handelt es sich, trotz der maßgeblichen Beteiligung sächsischen Militärs an den großen Auseinandersetzungen des 16. und 17. Jahrhunderts, überwiegend um Geschenke und Erwerbungen.

Der Eingangsraum wird beherrscht von fünf lebensgroßen Araberhengsten in voller Ausstattung. Eigens wurde ein Holzbildhauer beauftragt, der nach dem Maß der Zäume die Tierplastiken anfertigte. Eine riesige Vitrine aus doppelt entspiegeltem Glas birgt die Inszenierung. Die Wände sind gestaltet mit Ankäufen und Geschenken, die der Kammerdiener Johann Georg Spiegel 1714 im Auftrag August des Starken zusammen mit Pferden und Kamelen nach Dresden brachte.

Das Ideal einer »vollmonderleuchteten Wüstennacht« leitete die Ausstellungs- und Beleuchtungskonzeption. Die empfindlichen Textilien erfordern ohnehin eine schonende Beleuchtung mit Glasfaserlicht. Die überragende Qualität der Einzelstücke und ihre sachliche Darbietung verhindert das Abgleiten in volkstümlich-triviale Klischees.

Europäische Prunkwaffen

Im quadratischen zweiten Raum sind in einer durchgehenden Vitrine die frühen Erwerbungen des 16. und 17. Jahrhunderts versammelt. Auch europäische Kunsthandwerker schufen erfindungsreich orientalisierende Prunkwaffen. Ein Beispiel ist die 1610/12 in Prag gefertigte Johann-Michael-Garnitur. Die lange Galerie der »Türckischen Cammer« führt unter den Bahnen eines 20 Meter langen und sechs Meter hohen Zeltes hindurch. Osmanische Zelte dieses Ausmaßes befinden sich sonst nur noch in den Sammlungen in Istanbul und Krakow. August der Starke, der bekanntlich glücklos im Kriegshandwerk war, inszenierte sich gern als orientalischer Herrscher. Auf Paraden und Militärmanövern etwa ließ er Rossschweife vorantragen, die heute auch zum Bestand der »Türckischen Cammer« gehören.

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