Chemieprofessor mit Modelleisenbahn

Der 63-jährige Utz-Hellmuth Felcht wird neuer Vorsitzender des Bahn-Aufsichtsrats

  • Erich Preuß
  • Lesedauer: 2 Min.
Die Deutsche Bahn hat nach monatelangen Diskussionen einen Nachfolger für den scheidenden Aufsichtsratschef Werner Müller gefunden. Utz-Hellmuth Felcht heißt der Wunschkandidat, der nun alles richtig machen soll.

Die letzten Aufsichtsratsvorsitzenden des Staatskonzerns Deutsche Bahn AG waren von SPD-Gnaden abhängig. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CDU) hat sich nun für den Westfalen und Honorarprofessor an der Uni München, Utz-Hellmuth Felcht, entschieden. Er löst im April Werner Müller, derzeit auch Vorstandsvorsitzender der Ruhrkohle AG (RAG), als Bahnvorstand ab. Damit verstummen die Gerüchte um die acht bisher diskutierten Kandidaten, die abwechselnd von der FDP oder der Union abgelehnt wurden oder gleich selbst die Hände hoben.

Felcht verließ 1998 den Chemiekonzern Hoechst, als der zum Pharmaunternehmen werden sollte, und wurde Chef der in der Degussa aufgegangenen SKW Trostberg AG. SKW ist die Abkürzung für Süddeutsche Stickstoff- und Kalkwerke. 2006 verließ Felcht den Degussa-Vorstand vorzeitig, als RAG (heute Evonik) die Degussa übernahm und Felcht somit von Müller entmachtet wurde.

Der neue Aufsichtsratsvorsitzende Felcht wird als sturer Charakter beschrieben, dessen harmlos wirkender Professorenhabitus nur Schein sei. Er trete freundlich auf und lasse sich beraten, sei jedoch hart in der Sache. Was ihn als obersten Kontrolleur der Deutschen Bahn empfahl, ist rätselhaft. Vielleicht ist es die Freude an Modelleisenbahnen oder weil Merkels Ehemann ebenfalls Chemieprofessor ist? Jedenfalls soll die Chemie zwischen Felcht und Ramsauer stimmen. Und der Kandidat hat als Vorsitzender eines Chemieverbandes Verbindung zur Bundespolitik.

Der Bahn-Aufsichtsratsvorsitzende verkörperte stets die politischen Machtverhältnisse. Unter Kohl wurden die CDU-Günstlinge Günther Saßmannshausen und der vormalige Bahnchef Heinz Dürr Aufsichtsratsvorsitzende. Von Gerhard Schröder kamen die SPD-nahen Manager Michael Frenzel und Dieter Vogel auf diesen Posten. Dem behagten Hartmut Mehdorns Sparideen sowie dessen Auftreten nicht, so dass Schröder schließlich seinen ehemaligen Wirtschaftsminister Werner Müller holte. Der parteilose RAG-Chef fiel, bis zur Säuberung wegen der Schnüffel-Affäre, nicht weiter auf. Mit dem neuen Bahnchef Rüdiger Grube konnte er im Sommer 2009 zeigen, was ein Kontrolleur des DB-Konzerns darf. Dass Müller unter der schwarz-gelben Herrschaft nicht bleiben kann, war gewiss.

Der Aufsichtsratsvorsitzende vertritt die Interessen des Eigentümers, und der ist die Bundesrepublik Deutschland. Nun kommt einer ohne das Etikett des Sanierers. Manche sagen allerdings, die Wahl sei peinlich, Felcht entspreche der »Reclam-Ausgabe eines Managers«. Die Bahngewerkschaften hoffen, er werde sich für den Erhalt des Konzerns einsetzen. Anton Hofreiter, Verkehrspolitiker von Bündnis 90/Die Grünen, hofft auf einen Kurswechsel: Das Kerngeschäft sei der Betrieb in Deutschland und nicht der Paketdienst in Hongkong.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal