Streit um Nord Stream ohne Ende

Polens rechte Opposition sieht Lebensinteressen den Landes verspielt

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 2 Min.
Der seit Jahren in der polnischen Politik gärende Streit um die fast 1200 Kilometer lange Nord-Stream-Rohrleitung, die zwischen Wyborg und Greiswald auf dem Grunde der Ostsee verlaufen soll, ist auch ein wichtiges Thema in der angelaufenen Kampagne zur herbstlichen Präsidentenwahl.

Das linke Wochenblatt »NIE« wertete den Verlauf der Debatte um die Ostsee-Pipeline als Anzeichen albernen Schwachsinns. »Das Rohr ist gut für Polen«, hieß es in der Zeitschrift, am vernünftigsten wäre es, Polens Gassystem durch eine Stichleitung mit Nord Stream zu verbinden. Zur gleichen Zeit verkündete der Kanzleichef im Amt des Staatspräsidenten, Wladyslaw Stasiak, durch die Ostsee-Pipeline sei Polens militärisch-energetische Sicherheit bedroht. Das Land dürfe sich auf keinen Fall von der russischen Staatsfirma Gazprom abhängig machen lassen, sagte Stasiak. Kurz zuvor war in Moskau nach schwierigen Verhandlungen ein Abkommen über die Lieferung von jährlich 10,5 Milliarden Kubikmeter russischen Erdgases bis zum Jahre 2045 und über die Polen zustehenden Transitgebühren abgeschlossen worden.

Damit Polen in Sachen Gasimport nicht allein von Russland abhängig ist, stimmte die Regierung unter Donald Tusk einer Forderung der oppositionellen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) zu. Demnach soll vor dem Strand von Swinoujscie (Swinemünde) ein Gasterminal errichtet werden, an dem 2014 die ersten Tanker mit flüssigem Gas aus den Golfstaaten anlegen können. Dieses Milliardenprojekt werde allerdings durch Nord Stream behindert, heißt es seit 2007. Die Gastanker mit einem Tiefgang von 13,5 Metern könnten nämlich in der Fahrrinne vor Swinoujscie mit der Rohrleitung kollidieren. Auch die Verlegung des Rohrs 20 Kilometer nördlich und dessen Einspülung in den Meeresgrund – vom Nord-Stream-Konsortium nach Angaben der »Gazeta Wyborcza« versprochen – würde das Problem angeblich nicht gänzlich lösen.

Polens Außenminister Radoslaw Sikorski, der momentan mit Sejmmarschall Bronislaw Komorowski um die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der regierenden Bürgerplattform (PO) ringt, verkündete jüngst sehr zufrieden, er habe bei den Deutschen einen Erfolg verbucht. Die deutsche Seite habe sich bereit erklärt, polnische Bedenken bezüglich der Fahrrinnen zu berücksichtigen. Zwar sei Polen – so Sikorski – nach wie vor kein Enthusiast der Gaspipeline, er hoffe aber, dass »jetzt und in der Zukunft« der Zugang zum Hafen Swinoujscie nicht blockiert wird.

Die Rechte kritisiert diese Erfolgsmeldung vehement. Das nationalkatholische Blatt »Nasz Dziennik« und die ultranationale »Gazeta Polska« werfen Sikorski und der PO vor, Polens Lebensinteressen zu verspielen. Der Europa-Abgeordnete Marek Grobar-czyk (PiS) wetterte, EU-Parlamentspräsident Jozef Buzek und die ganze PO vernachlässigten Polens Standpunkt völlig. Daher gebe es im EU-Parlament keine Bedenken gegen Nord Stream. Zum Trost erhielt Polen einen Zuschuss von 150 Millionen Euro für seine Investitionsvorhaben, darunter für den Gasterminal, der in Swinoujscie selbst aus ökologischen Gründen heftige Proteste hervorruft.

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