Beschwerden über Wahl in Irak häufen sich

Politiker erklären örtliche Nichtteilnahme an der Abstimmung mit mangelnder Bildung

  • Karin Leukefeld, Sulaimaniya
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwei Bündnisse haben sich nach den Parlamentswahlen in Irak zu »zweiten Siegern« erklärt und eine Beteiligung an der Macht gefordert. Die säkulare Al-Irakija-Liste von Ex-Ministerpräsident Allawi und die Allianz der Schiiten-Parteien von Ammar al-Hakim stritten am Donnerstag darum, den zweiten Platz hinter der Rechtsstaat-Koalition von Ministerpräsident Nuri al-Maliki belegt zu haben. Offizielle Ergebnisse lassen unterdessen weiter auf sich warten.

Der Anteil der Nichtwähler bei den Parlamentswahlen vom Sonntag in Irak ist im Vergleich zu den Wahlen 2005 gestiegen. Das geht aus Zahlen hervor, die die irakische Wahlkommission veröffentlichte. Obwohl in den Provinzen nördlich der Hauptstadt Bagdad mit bis zu 80 Prozent wie in Dohuk die Wahlbeteiligung sehr hoch war, lag sie doch deutlich unter der Beteiligung von 2005. Damals lag die Quote in Dohuk bei 92 Prozent.

Vor allem in den südirakischen Provinzen ist das Interesse an den Wahlen deutlich gesunken. In der Südostprovinz Basra gingen 2005 noch 73 Prozent zur Wahl, dieses Jahr waren es nur 57 Prozent. Ähnlich drastisch ging die Wahlbeteiligung auch in den Provinzen Babel, Najaf und Kerbala zurück. In Bagdad hatte die Wahlbeteiligung 2005 bei 70 Prozent gelegen, dieses Mal nur bei 53 Prozent.

In 16 Staaten außerhalb Iraks nahmen 272 016 Personen teil, die meisten Iraker wählten in Syrien und Schweden. In Deutschland gingen knapp 20 000 Iraker zur Wahl. 183 Beschwerden seien von Auslandswählern eingegangen, 381 von den »speziellen Wählern« (Polizei, Armee, Krankenhaus- und Gefängnispersonal, Patienten und Gefangene), so die Wahlkommission. Die Zahl der Beschwerden aus den 18 Provinzen steige ständig an, »jede Beschwerde wird geprüft«, hieß es in Bagdad.

Mehr als 100 Beschwerden seien allein aus der Provinz Basra eingegangen, hatte zuvor ein Sprecher der Wahlkommission bestätigt. In einer Reportage des irakischen Senders Al-Sumaria erklärten Einwohner, sie hätten die Teilnahme an den Wahlen aus Protest verweigert, weil die Regierung es nicht geschafft habe, die Versorgung der Provinz mit lebensnotwendigen Diensten zu gewährleisten. Politiker hielten dagegen, die geringe Wahlbeteiligung sei auf mangelnde Bildung der Bevölkerung zurückzuführen, die Menschen hätten die Bedeutung von Wahlen nicht verstanden.

Auch aus den kurdischen Gebieten im Norden wurden Beschwerden laut. In Kirkuk seien Wahlbeobachter der oppositionellen Goran-Bewegung eine Stunde vor Schließung der Wahllokale fortgeschickt worden. Fast überall gab es Beschwerden, dass Wahlberechtigte nicht auf den Wahllisten standen.

Auffällig sind auch die voreiligen Äußerungen von Regierungssprecher Ali al-Dabbagh und dem Sprecher des Ministerialrates, Saad al-Muttalibi, die der Presse täglich neue Wahlergebnisse präsentierten, während die Wahlkommission wiederholt zur Geduld mahnte.

Enormen Einfluss nahm selbst noch am Wahlabend einmal mehr das umstrittene Komitee für Gerechtigkeit und Verantwortlichkeit, als es den Ausschluss weiterer 55 Kandidaten der Irakischen Nationalen Bewegung (Al-Irakija) wegen angeblicher Nähe zur (verbotenen) Baath-Partei beantragte. Eine Entscheidung ist nicht bekannt. der frühere Ministerpräsident Ijad Allawi, Chef von Al-Irakija, forderte derweil das jetzt gewählte Parlament auf, die Wahlen einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen.

Vor allem der Einfluss amtierender Politiker während der Wahl und bei der Auszählung müsse hinterfragt werden. Äußerst kritikwürdig sei, dass etliche Mitglieder des Komitees für Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit, darunter der von den USA protegierte Vorsitzende des Irakischen Nationalkongresses, Ahmed Chalabi, selbst für einen Sitz im neuen irakischen Parlament kandidiert haben.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal