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Retten, löschen, verhaften

Ver.di kritisiert »Verpolizeilichung« der Feuerwehr

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 2 Min.
Ver.di und vfdb stellten ein Rechtsgutachten zur »Verpolizeilichung« der kommunalen Feuerwehren und Rettungsdienste vor.

Die Feuerwehr wird zur Hilfsbehörde für die Polizei. Die Befürchtung teilen ver.di und die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb), die gestern in Berlin das Gutachten »Entwicklungen zu Verpolizeilichung der kommunalen Feuerwehren und Rettungsdienste« vorstellten. Ver.di beobachte »mit großer Sorge« diese Vermischung, sagte Vorstand Achim Meerkamp. Der Bevölkerung sei nicht mehr klar, wer in welcher Funktion für was zuständig sei. Außerdem seien Qualifikation und Aufgaben verschieden. »An den Gewalten- und Aufgabenteilungen in der Bundesrepublik wollen wir nichts geändert sehen«, so Meerkamp.

Die Kritik richtet sich besonders gegen Niedersachsen. Dort wurden im Zuge der Verwaltungsreform 2005 die kommunalen Feuerwehren der Aufsicht der staatlichen Polizeidirektionen und des Landespolizeipräsidiums im Innenministerium unterstellt. Einen Verfassungsbruch sieht der Staatsrechtler, Ursus Fuhrmann, der das Gutachten erstellt hat. Der Funktionsschutz der kommunalen Selbstverwaltung sei missachtet worden. Dieser sieht vor, dass die Zugriffe staatlicher Sonderbehörden – wie der Polizei – auf die kommunale Selbstverwaltung nicht rechtens sind. In anderen Bundesländern zeichneten sich ähnliche Tendenzen ab.

In der Praxis führt das zu Problemen. »Wir retten, wir gehen in ein Gebäude, auch wenn wir nicht wissen, ob es zusammenbricht.« Das sei nicht Aufgabe der Polizei, sagte vfdb-Präsident Hans Jochen Blätte. Die Versicherungen zahlen zudem nicht, wenn ein Feuerwehrmann im Einsatz für die Polizei verletzt wird. Außerdem könne es für die freiwilligen Feuerwehren extrem demotivierend sein, wenn plötzlich ein Polizeiführer sagt wo es lang geht. Schließlich seien die rein ehrenamtlich und selbstorganisiert, so Fuhrmann. Dass die Feuerwehren nicht mehr der staatlichen, sondern der kommunalen Aufsicht unterstehen, sei letztlich auch eine Lehre aus der Nazizeit.

Von einem besonders drastischen Fall erzählte Fuhrmann aus Köln: Eine am Baum aufgehängte Frau wurde gefunden. Die Polizei war zuerst vor Ort und wollte verhindern, dass die Rettungskräfte die Frau herunternehmen, um zu sehen ob sie noch lebt – es sollten erst Spuren gesichert werden.

Gegen das niedersächsische Brandschutzgesetz will Fuhrmann für eine Kommune vors Bundesverfassungsgericht ziehen, um in einer Musterklage die Unrechtmäßigkeit feststellen zu lassen.

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