Schwarz-gelbes Stricken an der Kopfpauschale

Heute Start der Regierungskommission zur Gesundheitsreform

  • Lesedauer: 3 Min.
Unmittelbar vor dem Start der Regierungskommission zur Gesundheitsreform am diesem Mittwoch ist die schwarz-gelbe Koalition weiter uneins über die Kopfpauschale.

Berlin (AFP/dpa/ND). Unions-Fraktionsvize Johannes Singhammer (CSU) reagierte empört auf Berichte, wonach Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) einen Teil des Kassenbeitrags der Arbeitnehmer in

Am heutigen Mittwoch nimmt eine Regierungskommission ihre Arbeit auf, die sich mit dem Einstieg in ein neues Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung befassen soll. Dabei geht es auch um die von Rösler geplante Einführung eines lohnunabhängigen Arbeitnehmerbeitrags, der zwischen Union und FDP umstritten ist. Parallel dazu ist ein steuerfinanzierter Solidarausgleich für Geringverdiener geplant. Vor allem die CSU lehnt die Kopfpauschale als unsolidarisch und nicht finanzierbar ab.

Nach einem Bericht der »Märkischen Allgemeinen« erwägt Rösler ab 2011 eine Teil-Pauschale von etwa 29 Euro im Monat, die von jedem Versicherten neben den Beiträgen gezahlt werden müsste. Im Gegenzug solle der 2005 eingeführte Sonderbeitrag der Arbeitnehmer zur Krankenversicherung in Höhe von 0,9 Prozent wieder entfallen. Minister Rösler hatte zuletzt mehrfach betont, dass die Kopfpauschale nicht auf einen Schlag, sondern schrittweise eingeführt werden soll.

Singhammer sprach in der »Süddeutschen Zeitung« von einem »absurden Versuch, bereits bestehende Regelungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Kopfpauschale umetikettieren zu wollen«. Offenbar solle nun aus dem Sonderbeitrag »eine Gesundheitsprämie gestrickt werden«, kritisierte der CSU-Politiker. Dies mache auch wegen des bürokratischen Aufwands keinen Sinn. »Will man zudem kein Versicherungsmitglied schlechter stellen als bisher, muss man zusätzliche Haushaltsmittel in Milliardenhöhe ins System pumpen«, sagte er.

Gewerkschaft und Opposition lehnten eine Mini-Pauschale ab. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sprach von einem »Testballon«, der zeige, »dass die Kopfpauschale die Versicherten systematisch abkassiert«. Grünen-Chefin Claudia Roth kritisierte, die Startpauschale von 29 Euro würde »nach guter alter FDP-Manier vor allem Gutverdiener entlasten«. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles forderte im Fernsehsender N24, das Gesundheitssystem brauche keine Finanzreform, sondern Kosteneinsparungen im Pharmabereich.

Der Sozialverband Volkssolidarität formulierte einen »klaren Auftrag« an die Regierungskommission: »Die Zusatztbeiträge müssen entfallen und die gesetzlich Versicherten dürfen nicht weiter einseitig belastet werden.« Die Gewöhnung an die Kopfpauschale mit kleinen Schritten sei eine Strategie der Vernebelung.

Pharmakonzerne lehnen Preismoratorium ab

Unterdessen haben die Arzneimittelhersteller die Sparpläne von Gesundheitsminister Rösler scharf kritisiert und Angriffe gegen ihre Preispolitik zurückgewiesen. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) warnte vor dem Abbau von Arbeitsplätzen. Rösler hatte angekündigt, das »Preisdiktat« der Konzerne beenden zu wollen. Der BPI-Vorsitzende Bernd Wegener verwahrte sich am Dienstag in Berlin dagegen, die Pharmabranche pauschal als Kostentreiber darzustellen. »Ich habe es satt, als Buhmann der Nation dazustehen, als Schmarotzer und Gewinner zulasten kranker Menschen«, sagte Wegener. Der Pharmachef das von Rösler kurzfristig erwogene Preismoratorium ab. Die Hersteller sollen die Preise für neue Medikamente weiterhin allein festlegen können. Eine Nutzenbewertung könne dann innerhalb von fünf Jahren nach Markteinführung vorgenommen werden, so Wegener.

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