Ein Leben lang Revolutionär

Erinnerung an den Gewerkschafter Jacob Walcher

  • Theodor Bergmann und Karl Walcher
  • Lesedauer: 3 Min.
Drei Wochen der Erinnerung an einen Kommunisten - das ist nicht gerade typisch in (west)deutschen Landen. Im oberschwäbischen Wain wird dieser Tage des Gewerkschafters und Revolutionärs Jacob Walcher gedacht.
Die Heimatgemeinde Jacob Walchers erinnert jetzt an den vor 115 Jahren, am 7.Mai 1887 geborenen Kommunisten mit einer zweiwöchigen Ausstellung. Walcher, ein Kind armer Bauern, ging 1901 nach Stuttgart. Bei Daimler lernte er Dreher, trat in die Gewerkschaft und SPD ein, wurde zum Vertrauensmann seiner Kollegen gewählt. Bald wurde er auf die Berliner Parteischule geschickt, wo auch Rosa Luxemburg lehrte. Später war er Vorsitzender der Sozialistischen Jugendorganisation Stuttgart und Redakteur bei der »Schwäbischen Tagwacht«.
Als aktiver Kriegsgegner kam Walcher in unüberwindbaren Konflikt zur damaligen SPD-Politik. Er verlor seinen Redakteursposten. Walcher gehörte zu den wichtigen Leuten der Spartakusgruppe, war beim Aufstand in Berlin dabei, bereitete die KPD-Gründung mit vor und war Vorsitzender des Gründungsparteitages. Er wurde in die Zentrale der jungen KPD gewählt und war dort bis 1923 führend in der Gewerkschaftsabteilung tätig.
Bei Beginn des ersten ultralinken Kurses, 1923, erfolgte seine »Degradierung«. Für kurze Zeit kehrte er, 1926, in die Gewerkschaftsabteilung zurück, wurde aber 1928 erneut ausgeschlossen. Walcher wurde Mitbegründer der KPD(O) und Mitglied der Reichsleitung. 1931 trennte er sich von der KPD(O), weil er hoffte, die neugegründete SAP zum Kommunismus führen und zur Massenpartei machen zu können. In den 15 Monaten bis zur Machtübernahme von Hitler konnte das nicht gelingen. Walcher musste emigrieren, ging nach Paris, war dort Auslandsleiter der SAP. In dieser Zeit war er für den jungen Willy Brandt »politischer Mentor«. Walcher versuchte eine breite Front gegen den Faschismus zu schaffen, sprach (erfolglos) mit Leo Trotzki, nahm an den Verhandlungen zur Bildung der Volksfront teil. 1941 gelang ihm die Flucht nach den USA, dort arbeitete er im Council for a Democratic Germany mit Bertolt Brecht zusammen. 1946 kehrte er zurück und wählte »das richtige, sozialistische Deutschland«, die SBZ/DDR, voller Hoffnungen, am Aufbau des Sozialismus mitwirken zu können. Er wurde Chefredakteur der FDGB-Zeitung »Tribüne«. Dieses Arbeitsglück währte nicht lange - nur bis die Ulbricht-Führung fest im Sattel saß. Er wurde erneut degradiert, entlassen und 1952 aus der SED ausgeschlossen. Brecht nahm ihn in dieser Zeit in Buckow auf; Walcher wurde sein politischer Berater.
Nach dem XX. Parteitag der KPdSU wurde er leise, nicht öffentlich »rehabilitiert«, durfte sich wieder mit Geschichte beschäftigen. Seine große Studie wurde jedoch, da nicht linientreu, nicht veröffentlicht. Walcher - sein Leben lang ein marxistischer Revolutionär - starb 1970 mit 83 Jahren in Berlin. Erfreulich, dass man sich in einer schwäbischen Gemeinde nach Jahrzehnten des Schweigens, an ihn erinnert.

Ausstellung im Wainer Kulturhaus »Schäfers Kulturstadel« vom 4. bis 20. Mai; Begleitprogramm: Prof. Hartmut Mehringer, München, diskutiert am 4. Mai mit Zeitzeugen und Ortsansässigen über Walcher; 5. Mai: politischer Liederabend; 7. Mai: Brecht-Abend mit Gina Pietsch; am 13. Mai liest Peter Härtling aus seinem Roman »Schubert«; 19. Mai: Konzert mit Emigrantenmusik

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