Stasi-Beauftragter schwärzte an

Ein Verhör mit Folgen: Sachsen-Anhalts Behördenchef Ruden tritt zurück

  • Hendrik Lasch, Magdeburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt ist zurückgetreten. Zuvor war bekannt geworden, dass CDU-Mann Gerhard Ruden 1968 in einem MfS-Verhör einen Freund schwer belastete hatte.

»Wenn einer verhaftet wird, dann hat er ja wohl in erster Linie selbst daran Schuld« – es sind Sätze wie dieser, die das Fass zum Überlaufen brachten. So zitiert wird Gerhard Ruden, der Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen in Sachsen-Anhalt. Der CDU-Mann kommentiert damit Vorwürfe, er habe in einem MfS-Verhör im November 1968 einen Freund schwer belastet, der nach dem Einmarsch in die CSSR verhaftet worden war.

Das Protokoll der Vernehmung, aus dem die »Magdeburger Volksstimme« gestern ausführlich zitierte, sowie Rudens Kommentare sorgten für großen Wirbel und am Nachmittag für Rudens Rücktritt. Dieser hatte 1968 als Student in dem Verhör demnach gesagt, sein Freund habe »Uneinsichtigkeit gegenüber Maßnahmen der DDR« gezeigt sowie Westradio gehört. Selbst eine geplante Flucht in die Bundesrepublik wurde erwähnt. Der Freund wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, aber nach zwei Jahren freigekauft. Ruden räumte gegenüber der Zeitung ein, seine Äußerungen hätten dem Mann womöglich »ein halbes Jahr zusätzlich« eingetragen. Seine Aussagen seien ihm heute »peinlich«.

Kaum war der Bericht erschienen, hagelte es Rücktrittsforderungen – zum Schluss auch aus Rudens eigener Partei. Ein Schuldverweis an das Opfer, dem er vorwarf, ihn mit unvorsichtigen Äußerungen selbst in die Bredouille gebracht zu haben, verkenne nach Ansicht von CDU-Fraktionschef Jürgen Scharf, dass »die Missachtung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Ursache von Unterdrückung und Verfolgung war«. Scharf forderte Ruden auf, sein Amt »um der Sache willen« zur Verfügung zu stellen. Rudens »Kaltschnäuzigkeit und Ignoranz« erbosten SPD-Landes- und Fraktionschefin Katrin Budde, die ihn als im Amt »nicht mehr tragbar« bezeichnete. Unter Anspielung auf dessen Selbstrechtfertigung sagte sie, es sei »keineswegs DDR-typisches Verhalten«, einen Freund zu verraten. Matthias Höhn, Landeschef der LINKEN, die Ruden 2005 bei dessen Wahl unterstützt hatte, erinnerte ihn daran, dass er sich stets »konsequent und prinzipiell mit der Problematik belasteter Biografien auseinandergesetzt« habe. Derlei Konsequenz müsse er nun auch mit Blick auf die eigene Biografie zeigen. Die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Undine Kurth sagte, wer es sich zur Aufgabe mache, den »Verfehlungen Anderer nachzugehen«, müsse »selbst frei von derartigen Verfehlungen sein«.

Rudens Versuche der Rechtfertigung in eigener Sache standen in auffälligem Kontrast zu der unversöhnlichen Haltung, die er bisher an den Tag legte. Der 63-jährige Ingenieur und Ex-CDU-Landtagsabgeordnete, der vor 1989 in einem kirchlichen Friedenskreis arbeitete und das Bürgerkomitee zur MfS-Auflösung in Magdeburg mitbegründete, hatte zuletzt etwa Plädoyers einer Magdeburger Bischöfin für die Versöhnung mit DDR-Funktionären kritisiert.

Ruden hatte zunächst wohl gehofft, die Affäre zu überstehen und seine bis Juni dauernde Amtszeit beenden zu können. Am gestrigen Nachmittag trat er dann zurück. Er entschuldigte sich für »missverständliche« Äußerungen, merkte jedoch auch an: »Keiner kann aus der heutigen Situation der Freiheit ermessen, was es bedeutete, der Stasi ausgeliefert zu sein.«

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