Wassers Botschaft
Fotografiert von Camay Sungu
Immer ist irgend etwas schön. Weil wir dessen Verletzlichkeit spüren. Denn Schönheit entsteht durch traurige Gewissheit: Das Einmalige wird verwittern und vergehen wie alle und alles. Dagegen wehren wir uns mit Empfindung. Lust zum Beispiel will Ewigkeit – bekäme sie jedoch diese Ewigkeit, stürbe sie vorfrüh. Ewigkeitsdenken tötet alle Gefühle für das, was schön ist. So, wie alle Gewissheit langweilt.
Eine Schönheitsbehauptung braucht also eine Vergänglichkeitsahnung. Blaublitzendes Wasser etwa ist vielleicht besonders schön, weil es noch nie so gefährdet war, in städtischen Flüssen, in versumpfenden Weihern, in bootsdurchpflügten Seen. (Sind nicht einige Leute erst seit jenem Moment zu gesteigerten arktischen Bewunderern geworden, da der Klimawandel zusehends – so, dass man zusehen kann – die Eisberge auffrisst?)
Modernes Paradoxon: Wasser wird verschmutzt, weil Motorenkraft wühlt, doch just im Wirbelfeld der Schiffsschrauben blinkt noch einmal der Naturreiz auf, als sei er reinste Unberührtheit.
Es genügt dann ein einziger Blick, etwa auf die Masse der Wasser-Trinkbecher (Marathonläufer?), und entblößt ist unser altes Verbraucher- und Vernutzergemüt. Das wirkt wie ein Blick auf den Boden der Meere, Ströme und Bäche, wo hinab unser Dreck sinkt und die Poren der Welt verstopft. So schaute Andrej Tarkowskis Kamera im Film »Stalker« aufs Verrottende eines Flussgrundes und erzählte unsere katastrophischen Neigungen.
Ähneln diese Plastebecher, je ausdauernder man hinschaut, nicht todesnah schnappenden Fischmäulern? Ein Erstickens-Chor, der unter blaublitzend schönem Wellengekräusel heraufschwillt mit einer wohl wasserdichten Botschaft: dass wir absehbaren Tags wohl sehr auf dem Trocknen sitzen werden.
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