Eine Insel gegen den Virus

Auf einem Eiland im Viktoriasee leistet ein Eine-Welt-Zentrum Aufklärungsarbeit über Aids

  • Leonhard F. Seidl
  • Lesedauer: 4 Min.
Mfangano-Island, eine Insel im Viktoriasee könnte ein kleines Paradies sein. Wären da nicht Aids, Hunger und Eifersucht. Doch eine breite, solidarische Bewegung hat den Kampf bereits aufgenommen.
Gut ausgeschildert: Das Ekialo Kiona Centre auf der Mfangano-Insel kommt bei der Bevölkerung gut an, nur der Pastor kann der Aids-Prävention durch Aufklärung nichts abgewinnen.
Gut ausgeschildert: Das Ekialo Kiona Centre auf der Mfangano-Insel kommt bei der Bevölkerung gut an, nur der Pastor kann der Aids-Prävention durch Aufklärung nichts abgewinnen.

Im Dreiländereck Tansania, Uganda und Kenia liegt der zweitgrößte Süßwassersee der Erde. Die Menschen am Ufer, am Festland und auf den Inseln leben hauptsächlich vom Fischfang. So auch die circa 15 000 Inselbewohner von Mfangano Island. In den Sechzigerjahren wurden 35 Nilbarsche im See ausgesetzt, um ihn kommerziell zu züchten. Mittlerweile hat sich sein Bestand stark dezimiert, wodurch sich einheimische Fischarten wieder vermehrt haben. Aber die vielen jungen Fischer sind geblieben und mit ihnen eine Ursache, die zur Verbreitung von Aids und damit zu einer der höchsten Infektionsraten auf der ganzen Welt geführt hat. 30 Prozent der Inselbewohner sind HIV-positiv, der Landesdurchschnitt in ländlichen Regionen lag laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) 2007 bei bis zu sieben Prozent. Ein Grund dafür ist, dass viele Fischer ihren Fang gegen Sex verkaufen, was die Menschen vom Stamm der Suba »Haboya« nennen. Aber auch die auf der Insel vorherrschende Polygamie begünstigt die Verbreitung des Virus.

Vor Jahren kam der US-amerikanische Medizin-Student Chas Salmen auf die Insel um eine Aids-Studie durchzuführen. Das war der Startschuss für das Ekialo Kiona Centre, was eine Welt bedeutet. Der Rohbau steht bereits. Joel Oguta, dessen Bruder an Aids gestorben ist, hat das Grundstück gespendet und beteiligt sich an dem Projekt. Stolz zeigt er den Computerraum, eine Halle für Treffen und einen Raum für eine Bibliothek. Die Gelder kommen unter anderem von der Regierung, dem International Medical Corps und Privatpersonen. »Das Problem ist das fehlende Wissen«, fügt er lakonisch hinzu. In Räumen wird später auch mit Schülern Präventionsarbeit geleistet. Für Kenia sehr unüblich, wird ihnen erklärt, warum und wie man Kondome anwendet. Viele Schulen sind christlich und vertreten die Ansicht, Informationen über Kondome würden »Appetit« machen und Enthaltsamkeit wäre der einzige Weg um einer Schwangerschaft und Aids vorzubeugen. Die Fakten allerdings sprechen dagegen. Viele Jugendliche machen schon lange vor der Volljährigkeit erste sexuelle Erfahrungen und die Pille danach wird als gängiges »Verhütungsmittel« benutzt, wie die Tageszeitung »The Nation« erst kürzlich mit einer Studie belegte.

Laut Adam Sival (22) US-Amerikaner, Mitinitiator und Zimmerman, der sich vor Jahren auf der Insel niederließ, ist dies nicht der Grund, warum der Pastor der Insel gegen das Projekt arbeitet. Mehrmals haben sie den Kontakt zu ihm gesucht, ihn zu ihren Treffen eingeladen, was dieser nie erwiderte. Er soll Gelder veruntreut haben, betet in der Kirche gegen das Projekt und einmal brannte sogar Sivals Farm. Der Pastor erzählte den Gläubigen, es wäre Hexenkraft am Werk, weil die in das Projekt Involvierten zu tausenden von Kilometern entfernten Menschen gesprochen hätten, via Internet. Er selbst war zu keiner Stellungnahme bereit.

Beschneidungen bei Männern reduzieren die Infektionsrate um über die Hälfte, wie eine US-amerikanische Studie zeigte. Endgültig ist noch nicht geklärt, warum dieser Eingriff so wirksam ist. Eine Erklärung wäre, dass die Zellen auf der Eichel nach der Vorhaut dicker werden und dadurch einen wirksameren Schutz gegen die Viren bieten. Der Fakt, dass der Penis nach dem Geschlechtsverkehr schneller trocknet und somit das Virus schneller abstirbt ist ein weiterer Erklärungsversuch. Weswegen auf der Insel auch regelmäßig kostenlose Beschneidungen angeboten werden. Allerdings schützt die Beschneidung natürlich nicht gänzlich vor einer Infektion, weswegen das Projekt auf Aufklärung und Kommunikation setzt und zwar auf gewaltfreie Kommunikation.

Die gewaltfreie Kommunikation brachte der 50-jährige Niederländer Jan von Koit vor Jahren auf die Insel. Er kommt seitdem regelmäßig, um die Inselbewohner darin zu schulen. Richard Merenge, der Neffe von Oguta, der beide Eltern durch Aids verloren hat, ist begeistert von der Methode. Die wurde vom 1934 geborenen Marshall Rosenberg entwickelt. »Laut Rosenberg ist der Mensch eine Mischung aus Giraffe und Schakal«, erklärt Merenge, der Vater von zwei Kindern. »Die Giraffe ist geduldig, aber wenn du den Schakal raus lässt, dann schlägst du das Kind.« Bei der gewaltfreien Kommunikation stehen die Bedürfnisse der Mitmenschen im Mittelpunkt. Merenge erklärt es anhand des »Kainens«, des Züchtigens mit dem Stock, das in Kenias Schulen zwar gesetzlich verboten ist, aber immer noch praktiziert wird. »Auf Mfangano gibt es viele Aids-Waisen. Die Familien, bei denen sie leben und arbeiten, denken, sie sollen schuften wie Sklaven, wodurch die Kinder kaum etwas für die Schule machen können.« Die Folge ist, dass sie sowohl in der Schule als auch in der Familie geschlagen werden und in beiden Bereichen weniger leisten können. Würden Lehrer und Familien deren Situation und Bedürfnisse mehr berücksichtigen, wäre weniger Gewalt die Folge. Deswegen treffen sich die Mitglieder des Kommunikationszentrums auch mit den Lehrern und bieten ihnen Kurse an. Außerdem finden sich jeden Mittwoch Infizierte und Nichtinfizierte im Zentrum ein. »Die HIV-Positiven fühlen sich schlecht, wertlos, bleiben einsam und infizieren manchmal andere auch vorsätzlich«, so Merenge. »Wenn sie aber Zugang zu den Gefühlen und Bedürfnissen anderer haben, gehen sie aufeinander zu. Die Idee des Projektes ist es, die Menschen zueinander zu bringen.«

Weitere Informationen unter www.organichealthresponse.org

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