Residenzpflicht bewegt sich – in Grenzen

Bundesratsinitiative könnte Verbesserungen für Flüchtlinge bringen und eine Petition fordert die Abschaffung

  • Lesedauer: 3 Min.
Beate Selders ist Autorin einer Studie zur Residenzpflicht für Asylbewerber. Mit der Sozialwissenschaftlerin sprach für ND Marina Mai.

ND: Berlin und Brandenburg haben eine Bundesratsinitiative zur Abschaffung der Residenzpflicht für Asylbewerber angekündigt. Residenzpflicht sagt, man darf den Landkreis nur verlassen, wenn man von der Behörde eine Genehmigung einholt. Wird das Thema auf der Innenministerkonferenz im Mai auf der Tagesordnung stehen?
Selders: Ja, Brandenburgs Innenminister Rainer Speer (SPD) hat das angekündigt. Allerdings geht es nicht mehr um die Abschaffung der Residenzpflicht wie noch in der Koalitionsvereinbarung, sondern lediglich um eine Lockerung. Speer möchte für die Bundesländer mehr Handlungsspielraum. Die sollen den Asylbewerbern gestatten, sich auch im benachbarten Bundesland frei zu bewegen – oder eben nicht, wenn der politische Wille fehlt.

Kann das nicht ein taktischer Schachzug sein, um eine Mehrheit im Bundesrat zu erreichen?
Vielleicht. Aber 2007 hat genau dieser Antrag im Bundesrat schon einmal eine Mehrheit gefunden. Die Umsetzung scheiterte an der damaligen Bundesregierung. Es ist aber noch zu hoffen, dass Berlin und Brandenburg ihren Koalitionsvereinbarungen folgen und eine Initiative zur Abschaffung des Gesetzes einbringen.

Gibt es auch in weiteren Bundesländern das Bestreben, die Residenzpflicht aufzuheben oder zu lockern oder stehen zwei rot-rote Landesregierungen auf verlorenem Posten?
Derzeit ist Bewegung drin wie lange nicht. In Bayern soll der legale Aufenthalt auf einen Regierungsbezirk ausgedehnt werden, in Thüringen auf mehrere Landkreise. In anderen Bundesländern gibt es entsprechende Anträge der Opposition, zum Beispiel in Schleswig-Holstein von den Grünen. Allerdings gibt es auch entgegengesetzte Beteuerungen. Baden-Württembergs Innenminister Heribert Resch (CDU) hat am Wochenende eine Lockerung der Residenzpflicht abgelehnt.

Warum sind da die Widerstände aus der CDU so hartnäckig?
Es geht um die Ausrichtung der Asylpolitik. Die Residenzpflicht ist Anfang der 80er Jahre auf Drängen der CDU eingeführt worden zusammen mit vielen anderen Beschränkungen. Das Ziel war unter anderem, Asylbewerber abzuschrecken. Diese Haltung gibt auch heute noch den Ton an.

Noch bis zum 27. April läuft eine Onlinepetition an den Deutschen Bundestag zur Abschaffung der Residenzpflicht. Bisher haben fast 10 000 Menschen mitgezeichnet. Ist die Zahl der Mitzeichner wichtig?
Es ist sehr wichtig, immer wieder deutlich zu machen: Dieses Gesetz ist ein Skandal, nicht nur seine Handhabung. Schön, wenn es kleine Verbesserungen gibt. Aber es kann grundsätzlich nicht angehen, dass Menschen zu Straftätern gemacht werden, weil sie ohne behördliche Erlaubnis von Hamburg nach München fahren. Je mehr Unterzeichner es gibt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Petition öffentlich verhandelt wird. Das würde dem Anliegen mehr Gewicht verleihen.

Wie kann man unterzeichnen?
Voraussetzung ist, dass man eine E-Mail-Adresse hat. Dann kann man sich unter der Internetadresse https://epetitionen.bundestag.de/... anmelden, indem man auf »registrieren« klickt. Anschließend bekommt man eine Bestätigungsmail und kann die Petition unterzeichnen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal