Leben im Fass

  • Prof. Dr. Ulrich Sedlag, Zoologe
  • Lesedauer: 2 Min.

Obwohl Gartenfässer meist zugedeckt sind, verschaffen sich immer wieder Tiere Zugang zum Wasser. An den Wänden und am Boden fallen Röhren auf, die aus locker zusammengesponnenen winzigen Schlammkrümeln bestehen. Darin wohnen Zuckmückenlarven, die als Fischfutter gehandelten Roten Mückenlarven. In Anpassung an die Sauerstoffarmut des Wassers besitzt ihr Blut Hämoglobin, was für Insekten ganz ungewöhnlich ist. Beim Ablassen eines Schwimmbeckens zeigte sich, dass der Boden so vollständig mit solchen Röhren bedeckt war, dass es wohl keinen freien Quadratzentimeter gab.

Zuckmücken, die ihren Namen dem Zucken ihrer erhobenen Vorderbeine verdanken, stechen nicht. Stechmücken, die sich ebenfalls im Gartenfass entwickeln können, sollen ein andermal zur Sprache kommen. Heute geht es um andere Tiere, die leicht übersehen werden, da sie kaum zehn Millimeter groß, schlank und farblos sind: Drei Schwanzanhänge charakterisieren sie als Larven von Eintagsfliegen. Schwimmen sie frei im Wasser, erkennt man sie an schlängelnden Schwimmbewegungen.

An anderer Stelle gibt es bedeutend größere Arten. Mit einiger Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um eine Art, die dem Namen Eintagsfliegen nicht gerecht wird, denn ihre Weibchen bringen lebende Junge zur Welt, die ein bis zwei Wochen zu ihre Entwicklung benötigen. Das Schöpfen von Gießwasser ist eine Katastrophe für die Larvenpopulation.

Mit den überlebenden, die schließlich als Imagines das Wasser verlassen, haben wir nach den rotblütigen Zuckmückenlarven weitere Sonderlinge unter den Insekten vor uns, sogar gleich in doppelter Hinsicht: Eintagsfliegen sind die einzigen Insekten, die sich (auch wenn sie womöglich nur noch einen einzigen Lebenstag vor sich haben!) noch einmal samt ihrer Flügel häuten.

Und dann erst die Männchen! Ihr Kopf trägt zwei nach oben gerichtete, vergleichsweise riesige Augen, die als Turbanaugen bezeichnet werden. Es sind Zusatzaugen, die das Erkennen anfliegender Weibchen ermöglichen. Unterhalb dieser Augen sieht man die normalen Augen und davor ein oder vielleicht auch zwei der drei bei vielen Insekten vorkommenden Punktaugen. Sieben Augen also, die ein winziges Gehirn mit Informationen versorgen. Wer es selbst sehen will, könnte Larven ihre Entwicklung in einem Aquarium, in dem es Algen gibt, vollenden lassen.

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