Bergbauern-Ballett

Tandoori Love - von Oliver Paulus

  • Alexandra Exter
  • Lesedauer: 3 Min.

Ein Film, der rosarote Himmelbetten vor den Schneegipfeln des Berner Oberlands ins Schweben bringt, kann nicht ganz schlecht sein. Wenn er dazu noch ein Bergbauern-Ballett im samtenen Bergbauernsonntagsstaat vor einem Dorfgasthof namens Hirschen zum Tanzen bringt, während die gestandenen Herren ein Loblied auf die Schweizer Küche singen (was sie ansonsten aber nicht dran hindert, mit hörbarem Vergnügen das wirklich exquisite Tandoori Chicken des neuen, original indischen Gasthofkochs zu ordern), hat dieser Film schon mal zwei denkwürdige Bildideen auf seiner Seite.

Dass er es trotzdem nicht ganz schafft, die ästhetischen Konventionen des Bollywood-Kinos (denn darum geht es hier) mit einer bodenständig alpenländischen Beziehungskrisenkiste zu verschmelzen, sei ihm angesichts einiger wirklich wunderbarer Augenblicke nachgesehen – das hat schließlich noch kein europäischer Regisseur geschafft. Und die indischen nutzen die Alpen ohnehin nur als Kulisse, in die sie ihre Stars für Kurzauftritte exportieren, wenn Bergromantik gefragt ist und die kriegsgeschüttelte Kaschmirregion weiterhin zu gefährlich. Hier aber ist der Dorfgasthof im Berner Oberland tatsächlich zentraler Ort der Handlung, und was da so serviert wird, bevor sich die indische Küche Bahn bricht, kriegt der Zuschauer auch gleich leinwandfüllend präsentiert, wenn in überlebensgroßer Großaufnahme Schweinsfüße köcheln und prall gefüllten Würsten der Brät aus der platzenden Pelle quillt.

Die knorzige Gasthofseignerin verfüttert Schweinsfüße an ihren lädierten Schoßhund, ihr Sohn möchte heiraten und hegt hehre Gourmettempel-Ambitionen für den biederen Gasthof, die Schwiegertochter in spe (kess: eine rotblonde Lavinia Wilson) möchte vor allem erst mal gefragt werden, bevor öffentlich ihre Verlobung bekannt gegeben wird. Und der indische Koch, der als Caterer einer frisch eingetroffenen indischen Filmproduktion unter freiem Himmel sein Süppchen kocht, muss sich der sozial ganz unvorstellbaren Avancen einer kapriziösen Filmdiva erwehren, die seiner Küche verfallen ist, lange bevor der Rest des Ortes sie zu kosten bekommt. Dann trifft der augenblicklich verzückte Koch auf die angehende Schwiegertochter – in einer Supermarktszene, der die doppelbödige Vermählung von Realismus und Märchenhaftigkeit noch ganz wunderbar gelingt -, der begeisterungsfähige Gasthoferbe auf den Koch, der lädierte Mops auf Curry und Chilischoten und die missbilligende Mutter auf die hellblauen Fliesen für das neue Heim der Verlobten – wo sie doch grundsolides Beige empfohlen hatte.

Höchst appetitliche Detailaufnahmen kulinarischer Zutaten und Tätigkeiten wechseln mit nachvollziehbar existenziellen Grundsatzfragen über Paarbeziehungen, ihr Zustandekommen, Andauern und Glückspotenzial, und wenn die allzu breite Farce nicht wäre, die der Dornacher Regisseur Oliver Paulus immer dann bemüht, wenn die Handlung allzu mitteleuropäisch zu werden droht, könnte »Tandoori Love« ein wirklich außergewöhnlicher Kulturmix von einem Film geworden sein. Lecker ist er trotzdem.

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