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  • 8. ND-Lesergeschichten-Wettbewerb

Bauch-Beine-Po

Ingeborg Jaiser aus Böblingen

  • Lesedauer: 3 Min.
Ingeborg Jaiser
Ingeborg Jaiser

Vom Eise befreit, steht der geplünderte Coppa Bombastico anklagend vor mir. In einer Pfütze aus flüssiger Sahne dümpeln traurig zwei Amarena-Kirschen vor sich hin. Das sind die einzigen Zutaten, die ich nicht mag.

Eigentlich sind Eisbecher gar nicht in meinem Diätplan vorgesehen. Eigentlich hätte ich zur Salatkarte greifen sollen. Eigentlich bin ich schon fett genug!

Niedergeschlagen schleiche ich vom »Scarlatti« nach Hause. Drehe ich jetzt vollkommen durch – oder reiben die neuen Jeans wirklich schon scheuernd an den Oberschenkeln? Ist Größe 40 nicht Schmach genug? Muss ich mich in der Damen-Abteilung bald verschämt in die XXL-Ecke verdrücken?

Zuhause drehe ich wütend den Garderobenspiegel zur Seite. Dahinter liegt die Sporttasche, die ich vergangenen Herbst frustriert in die Ecke gepfeffert habe. Das monatliche Abo fürs Fitness-Center läuft trotzdem weiter, denn: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ist der Frühling nicht wie geschaffen für neue Pläne und Vorhaben?

Versonnen greife ich in die Tasche, ziehe die ultraleichten, luftgepolsterten Aerobic-Schuhe hervor, das figurbetonte, neonfarbene Top, die funktionelle Trainingshose. Ob ich da noch reinpasse?

Schon am nächsten Abend betrete ich mit wackligen Knien das Fitness-Center. »In sechs Wochen zur Bikini-Figur« verspricht ein Plakat über dem Eingang. Unglücklicherweise führt mein Weg an der Bar vorbei, hinter der ein paar backhendl-gebräunte Typen hocken und an Drinks nippen, die entfernt an Hustensaft erinnern. Kaum habe ich die Gefahrenzone hinter mir gelassen, brechen die Herren in schallendes Gelächter aus. Wütend kneife ich meine Cellulitisschenkel zusammen und verschwinde im Gymnastiksaal.

Sicherheitshalber halte ich mich im hinteren Bereich und versuche, der undurchsichtigen Choreographie zu folgen, indem ich mich heimlich an meinen Nachbarinnen orientiere. Links von mir turnt eine perfekt durchgestylte Südländerin, die mit den geschätzten Gardemaßen von 90-60-90 wie eine digital zurecht gestutzte Lara Croft wirkt. Spinn ich – oder zwinkert sie mir wirklich dauernd zu?

Während ich demutsvoll den Rücken krümme, die Heavy Hands in die Höhe reiße und meinen schlaffen Hintern anspanne, versuche ich nicht an eine Belohnung zu denken. Doch wieso drängt sich gerade jetzt der Gedanke an einen Banana Split, einen Coup Denmark, einen Schwarzwälder-Kirsch-Becher so hartnäckig auf?

Meine guten Vorsätze halten genau bis zum Wochenende. Dann bricht die Frühlingssonne durch und das »Scarlatti« stellt die ersten Tische vor die Tür. Vorsichtig flaniere ich vorüber und überprüfe im Schaufenster der Apotheke mein Spiegelbild. Eigentlich sitzt die weiße Leinenhose doch ganz leger. Eigentlich gibt es keinen Grund, mich zu kasteien. Eigentlich habe ich es mir verdient! Was kann es Schöneres geben, als vor einem Eiscafe zu sitzen und die wärmenden Sonnenstrahlen auf dem Gesicht zu spüren? Vielleicht liegt es an meinem glücklichen Lächeln, dass mir die zierliche dunkelhaarige Bedienung, die den Coppa Bombastico serviert, so verschwörerisch zuzwinkert? Oder kennen wir uns irgendwoher?

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