Polens Wahlkampagne im Weichselwasser

Napieralski kämpft um Platz drei

  • Julian Bartosz, Wroclaw
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Hochwasserlage am größten Fluss Polens, der Weichsel, bleibt ernst. Die zweite Flutwelle verursachte am Montag trotz tagelangen Einsatzes von Feuerwehrleuten und Soldaten neue Dammbrüche. Das Wasser überflutete Dörfer und Ackerland, die Behörden riefen Tausende Menschen dazu auf, sich in Sicherheit zu bringen.

Mit der zweiten Hochwasserwelle, gewaltigen Wolkenbrüchen, geborstenen Deichen und zahlreichen unter Wasser stehenden Städten und Dörfern entlang der Weichsel und deren Zuflüssen im Südosten des Landes sowie mit wie Zigtausenden Evakuierten im Hinterland geht Polen auf die Präsidentschaftswahl zu. Ob der Kandidat der regierenden Bürgerplattform, Bronislaw Komorowski, gleich beim ersten Urnengang am 20. Juni das Rennen macht oder erst zwei Wochen später den früheren Ministerpräsidenten Jaroslaw Kaczynski von der Partei »Recht und Gerechtigkeit« (PiS) besiegt, bleibt eine offene Frage.

Der 38-jährige Partei- und Fraktionschef des Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD), Grzegorz Napieralski, zielt mit seinem Wahlkampf auf die Behauptung des dritten Platzes seiner Partei auf der politischen Bühne Polens. Als er die Kandidatennachfolgeschaft des beim Flugzeugunglück bei Smolensk ums Leben gekommenen Jerzy Szmajdzinski antrat, gab man ihm wenig Chancen, das bescheidene, aber realistische Ziel zu erreichen.

Kritiker aus dem linken Milieu wie Ex-Ministerpräsident Wlodzimierz Cimoszewicz, Dariusz Rosati, Wojciech Olejniczak, Tomasz Nalecz – alles Befürworter eines Zusammengehens mit den sich nun »Demokraten« nennenden »Unionisten« – sprachen ihm jegliche Qualifikation ab. Zu jung sei er und habe keine Erfahrungen im Staatsdienst. Tatsächlich brachte es der neue SLD-Kandidat zuerst nur auf etwa drei Prozent in den Meinungsumfragen, weniger als die Hälfte von Szmajdzinskis Quote. Jetzt, im zweiten Monat seines Kandidierens, wird er mit neun Prozent notiert und hat Aussicht auf ein zweistelliges Ergebnis.

Von dem allpolnischen Trauma nach dem Smolensker Unglück erfasst, beging er den Fehler, eine »gemeinsame Kandidatur aller politischen Kräfte« zu fordern. Angesichts der Überschwemmungskatastrophe, die Zigtausende Menschen in eine äußerst tragische Lage stürzte, nahm er schlagartig eine andere Haltung an. Bei den von dem Hochwasser Betroffenen jeden Tag vor Ort, kritisierte er die Unterlassungssünden bei der Sicherung der Deiche und des gesamten wassertechnischen Systems, rief nach sofortiger wirksamer Hilfe für die Betroffenen.

Auf die jetzt überall im Lande klebende Kampfparole Kaczynskis, der auch PiS-Chef ist, »Polen ist das Allerwichtigste« antwortete Napieralski: »Wichtiger sind die Polen«. In seinem Wahlprogramm fordert er gleiche Bildungschancen, Anhebung der Ausgaben für den öffentlichen Gesundheitsdienst, von der Kasse getragene legale In-vitro-Befruchtung, die Einhaltung der Konkordatbestimmungen über die Trennung von Kirche und Staat, scharfe Kontrollen zur Befolgung des Arbeitsrechtes und eine Entbürokratisierung im wirtschaftlichen Bereich.

Außenpolitisch plädiert er für gutnachbarliche Beziehungen mit Deutschland und Russland wie für den Abzug der polnischen Truppe aus Afghanistan zum vereinbarten Termin. »Gemeinsam werden wir Polen verändern« lautet Szmajdzinskis Wahlparole. Sein jugendliches Auftreten und die Tatsache, dass er den »Alten« in den Führungsgremien seiner Partei den Stuhl vor die Tür gestellt hat, mag für das Wahlziel auch eine Rolle spielen.

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