Das Bild hinter der Nachricht
»Fotografie trifft Fernsehen« im ARD-Hauptstadtstudio auf allen Etagen
Die ARD feiert 60. Geburtstag, 60 werden auch die »Tagesschau« und ihre Bilder. Von ihnen lebt wesentlich Deutschlands größte Nachrichtensendung. Zu jenen, deren Bildmotive die Meldungen grundieren, der Nachricht damit ein prägnantes »Gesicht« geben, gehört seit zwei Dezennien Kurt W. Hamann. Nach seinem Beginn als Pädagoge im Kinder- und Jugendbereich wechselte der 1991 in Uetersen Geborene als Rundfunkreporter zum NDR. Seit 1990 ist er freiberuflicher Fotograf und rückt vornehmlich das Geschehen seiner Wahlheimat Hamburg ins Bild. Der »Tagesschau« liefert er etwa Motive über Fußball, zu Konjunkturdaten und Entwicklungen im Öffentlichen Dienst – nicht eben leicht zu illustrierende Themen. Was dabei entstand, zeigt das ARD-Hauptstadtstudio als »Fotografie trifft Fernsehen« über alle Etagen des Gebäudes und partizipiert auch an den Hamburg-Motiven des Fotografen. Beides zusammen ergibt einen imposanten Mix aus nüchternem Sachfoto und atmosphärischer Studie.
Stimmungsvoll sitzt im Bildzentrum eine Möwe im Gegenlicht, eine zweite fliegt über ihr im unscharfen Hinten, Symbol für Fernweh und Abendwärme. Der Leuchtturm am Ende einer Grasdüne, wo sie in leicht schäfchenbewölkten Himmel übergeht, steht für die Weite einer Landschaft. Nähe offenbart eine Katze. Einsamkeit fangen zwei weitere Großformate ein. Ein Rohrstuhl sinkt in feuchten Sand ein, dahinter lässt ein Ozeanriese unter gewitterdrohendem Himmel Dampf ab. Auf üppigem Grün liegen in einem roten Stern, bereits von Rost angefressen, Hammer und Sichel, Mohn wächst schon darüber. Ein Motiv des Friedens nach bewegter Geschichte.
Auch in kleineren Formaten bleibt Hamann Hamburg treu und spürt Heiteres auf. Eine Nackte kauft am Strand Eis, ein Angezogener reicht es ihr gleichmütig. Unterteile von Schaufensterpuppen sitzen gereiht. Ein einzelnes Paar hockt am Strand mit Sonnenschirm, dahinter wie getürmte Schwalbennester eine unfertig hohläugige Hotelanlage. Hunde verharren auf dunkler Schräge in soldatenhafter Pose.
Ernstes bringen politische Themen ein. Traurig blickt ein russischer Rekrut aus seinem Kindergesicht; je zwei Touristen und Wachposten gaffen sich, Reminiszenz aus vergangenen Tagen, im Nebel am Brandenburger Tor an; ein Kind winkt unter einer Fahne auf die Straße. Charaktervolle Ausdrucksstudien bietet eine Serie von Kontaktabzügen: Regine Hildebrandt als beherzt gestikulierende Polit-Mutter. Rund 100 Motive um Autos füllen eine eigene Front. Autos wie in Girlsreihe, in der Wäsche und über der Reparaturgrube, am Kran und auf dem Transport; Autos schrottreif und schon handlich zerquetscht, andere im Trakt der Fertigung; Autos mit Hund drin oder Katze drauf; überfahren liegt ein Reh, ein Kreuz erinnert an die tödlich verunglückte Melanie.
Und da sind sie auch, die Fotos aus dem Fernsehen. Wie Arbeiter ihr VW-Werk verlassen, auf einer Werft Eisenträger verschweißt, in der Betriebspraxis Menschen untersucht werden, Akten in Reih und Glied hängen, Autos in der Taktstraße ihre Kühlerhauben wie Mäuler aufsperren. Kräne heben im Hafen Container, im leeren Stadion beult ein Ball das Tor aus, der Hamburger Michel hebt sich giftgrün gegen dunkelblauen Äther ab, spiegelt sich in einer Glasfront. Wie einen massigen Wal fixiert die Kamera den Bug eines Schiffes im Bau. »Lever dot as Slav« schimpft das Schrifttuch neben dem Fenster einer empörten Hausbesetzerin mit Sonnenbrille: Hamanns erstes Foto für eine Tageszeitung.
Bis 17.6., Di-So 10-18 Uhr, ARD-Hauptstadtstudio, Wilhelmstraße 67a, Mitte, Eingang über Infocenter, Telefon 22 88 11 00, Infos unter www.ard-hauptstadtstudio.de
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