Israel gibt nach: Lockerung von Gaza-Blockade

  • Sara Lemel, dpa
  • Lesedauer: 3 Min.
Die 1,5 Millionen Menschen im Gazastreifen sollen künftig wieder mehr Güter bekommen. Israel will die Gaza-Blockade aber nur lockern und nicht ganz aufheben. Auch die Seeblockade soll weitergehen. Die Palästinenser stufen die Geste als reine Finte Israels ein.
Jerusalem/Gaza (dpa) - Der starke internationale Druck hat Israel jetzt zur Aufweichung seiner Blockadepolitik gegenüber dem Gazastreifen gezwungen. Die am Donnerstag beschlossene Lockerung der seit drei Jahren andauernden Blockade ist allerdings nur als kleiner Schritt im zähen Nahost-Ringkampf einzustufen. Die umstrittene Seeblockade des Palästinensergebiets, in dem 1,5 Millionen Menschen dicht gedrängt unter der Kontrolle der radikal-islamischen Hamas- Organisation leben, soll bis auf weiteres fortbestehen.

Der stellvertretende Hamas-Außenminister Ahmed Jussef tat die angekündigte Lockerung der Gaza-Blockade am Donnerstag umgehend als »Quatsch« und »israelische Propaganda« ab. Israel wolle auf diese Weise nur dem Druck der internationalen Gemeinschaft entgehen, meinte er. »Ich glaube nicht, dass wir mehr Ketchup und Mayonnaise brauchen«, höhnte er angesichts der israelischen Zusage, mehr »zivile Güter« in das Palästinensergebiet zu lassen. »Wir brauchen eine vollständige Aufhebung der Blockade und eine Öffnung aller Grenzübergänge.«

Mit der Entscheidung des Sicherheitskabinetts um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will Israel sein ramponiertes internationales Image aufpolieren, bevor es zu neuen Konfrontationen mit pro- palästinensischen Aktivisten kommt. Am Mittelmeer-Horizont zeichnet sich nämlich schon neuer Ärger auf hoher See ab: In den nächsten Tagen und Wochen wollen weitere Solidaritätsschiffe versuchen, die Seeblockade zu brechen. Zwei Schiffe sollen von dem Erzfeind Iran auf den Weg geschickt werden, schon kommende Woche wollen 30 Libanesinnen und 20 weitere internationale Aktivistinnen mit der »Mariam« von Beirut aus nach Gaza fahren. Das Konfliktpotenzial ist enorm - vor dem Hintergrund der Stürmung des türkischen Passagierschiffs mit neun Toten vor knapp drei Wochen wird neues Blutvergießen befürchtet.

Die wachsende internationale Isolierung des jüdischen Staates wird in Israel mit Bestürzung und einer gewissen Ratlosigkeit wahrgenommen. »Israel verliert seine Aktionsfreiheit«, schrieb ein Kommentator der Zeitung »Haaretz« am Donnerstag. »Das Land steht am Abgrund.« Mit der Blockadepolitik gegenüber der radikalen Hamas ist Israel jedenfalls weitgehend gescheitert, während der vor vier Jahren in den Gazastreifen entführte israelische Soldat Gilad Schalit sich weiter in den Händen seiner Hamas-Kidnapper befindet. Seine Freilassung war eine der Bedingungen für eine Aufhebung der Blockade.

Angesichts der Schwächung der israelischen Position wirkte die Aufforderung des Sonderbeauftragten des Nahost-Quartetts, Tony Blair, Schalit nun bedingungslos freizulassen, fast etwas naiv. Blair hatte die Blockadelockerung bereits am Montag in Luxemberg angekündigt und erklärt, Israel wolle bei den Gaza-Grenzkontrollen künftig statt einer Liste mit erlaubten Waren eine Liste von verbotenen Gütern verwenden.

Israel will die Gaza-Grenzen nicht vollständig öffnen, weil es befürchtet, dass dann noch mehr Waffen in das Palästinensergebiet gelangen. Die Europäische Union ist bereit, bei den Grenzkontrollen von Ägypten aus wieder eine aktivere Rolle zu übernehmen. Auf den Vorschlag Frankreichs, Spaniens und Italiens, Schiffe auf dem Weg nach Gaza zu kontrollieren, wollte Israel aber nicht eingehen. Hamas-Minister Jussef sagte am Donnerstag, seine Organisation »erwäge« den Vorschlag - unter der Bedingung, dass die Kontrollen »ohne jegliche Einmischung Israels« erfolgen.

Mehr zum Thema in der ND-Ausgabe vom 18.06. 2010
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