Kein Bock auf »Zukunftsverweigerung«

IG Metall rüstete sich bei Bezirkskonferenz zum Heißen Herbst gegen Regierungs-Sparpaket

  • Oliver Hilt, Homburg
  • Lesedauer: 3 Min.
Bei der Bezirkskonferenz der IG Metall Frankfurt im saarländischen Homburg rüstete sich die Gewerkschaft in der vergangenen Woche bereits für den kommenden Herbst. Dann nämlich will sie zum großen Widerstand gegen das Sparpaket der Bundesregierung blasen. Ein Konferenzbericht.

»Zwei Wochen der Unruhe, des Protestes und des Widerstands« kündigte Hans-Jürgen Urban, Mitglied im Bundesvorstand der Gewerkschaft, auf der Bezirkskonferenz der IG Metall Frankfurt im saarländischen Homburg an. Bei den für Anfang November geplanten Protesten sucht die Gewerkschaft einen breiten gesellschaftlichen Schulterschluss. Ein zentrales Thema der Proteste soll die »Zukunftsverweigerung« für die junge Generation sein.

Der Ort für die Konferenz des Frankfurter Bezirks, zu dem das Saarland, Rheinland-Pfalz, Hessen und Thüringen gehören, wurde mit Bedacht gewählt. Auch der gleichzeitige Auftakt für die Kampagne »Junge Generation – prekäre Beschäftigung« war kein Zufall: Die Stadt Homburg ist mit Unternehmen wie Bosch, INA-Schaeffler und anderen Industriestandort aber auch Hochschulstadt. Dass dort nun Auszubildende, junge Arbeitnehmer und Studierende ihren Protest Hand in Hand von den Konferenzräumen auf dem Schlossberg in die Innenstadt trugen, war für Werner Cappel, den Ersten Bevollmächtigten der IG Metall in der Kreisstadt, eine neue Erfahrung: »Das hab ich hier noch nicht erlebt, dass sie das gemeinsam mittragen, wenn es um Zukunftsperspektiven geht«, sagt er.

Rund 1000 Arbeitsplätze seien während der Krise allein in seinem Verwaltungsbezirk weggefallen. Was Statistiken nicht hergeben, erlebt Cappel in der täglichen Praxis. »Da fragen mich junge Familienväter, können wir uns erlauben, jetzt Familienplanung zu machen in Bezug auf Kinder, wie sieht es in dem konkreten Betrieb aus«, sagt er. Neben Cappel wettert auch der saarländische Sprecher der Kampagne »Bildungsstreik«, Peter Urban, dass das grundsätzliche Recht auf Ausbildung »nur sehr eingeschränkt interpretiert« werde. Dies sei das »gemeinsame Problem aller jungen Menschen«.

Nach den Zahlen der IG Metall liegt die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren bei fast 15 Prozent. Sie ist damit fast doppelt so hoch wie die allgemeine Arbeitslosigkeit. 47 Prozent der Jungen haben nur einen befristeten Arbeitsvertrag.

Der Frankfurter IG-Metall-Bezirksleiter Armin Schild warnt vor einem drastischen Fachkräftemangel. Die demographische Entwicklung führe zu einem Rückgang der Schulabgängerzahlen. Wer es sich leisten könne, entziehe sich zudem der dualen Ausbildung und wandere in die Hochschulen ab, um dort als »Generation Praktikum« weiterzumachen, so Schild.

Für Hans-Jürgen Urban beginnt die »Kette der Zukunftsverweigerung« schon vor der Schule, wenn die individuelle Förderung zunehmend vom Geldbeutel der Eltern abhängt. In der Schule, wo »viel zu früh getrennt wird«, setze sie sich fort und ende in den Hochschulen, die »weitgehend arbeiterkinderfreie Zonen« geworden seien. Junge Menschen, so Urban, würden »systematisch in Unsicherheit« gehalten, sei es, weil sie nach der dualen Ausbildung immer weniger Chancen auf eine unbefristete Übernahme haben oder nach einer akademischen Ausbildung in Praktika oder befristete Arbeitsverhältnisse »abgedrängt« würden.

Armin Schild hat den Arbeitgebern und den Landesregierungen in seinem Bezirk ein tarifvertragliches Konzept angeboten, mit dem schwächere Schulabgänger fit für die duale Ausbildung gemacht und den stärkeren nach der Ausbildung eine akademische Perspektive eröffnet werden soll – mit dem Ziel, dem drohenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Selbst damit jedoch könne »nur begrenzt Wirkung erzielt« werden, wenn gleichzeitig Bund und Länder ihre Politik der Deregulierung und Benachteiligung junger Menschen fortsetzten.

Genau das aber drohe mit dem schwarz-gelben Sparpaket, das die Gewerkschaften künftig nur noch »Kürzungspaket« nennen wollen. Anstatt über die Vermögenssteuer, eine Transaktionssteuer oder eine Veränderung der Einkommenssteuer die Mittel zu beschaffen, um »Zukunftsvorsorge« an Schulen, Universitäten und in der Ausbildung zu betreiben, würden die »Verursacher der Krise geschont«, kritisiert IG-Metall-Vorstand Urban.

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